Genus

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Das Genus (Plural: Genera; von lateinisch genus „Art, Gattung, Geschlecht“, als grammatischer Fachausdruck in Anlehnung an {{#invoke:Vorlage:lang|full |CODE=grc |SCRIPTING=Grek |SERVICE=altgriechisch |SUITABLE=variant prefix}}) oder deutsch das grammatische Geschlecht ist eine in vielen Sprachen vorkommende Klassifikation von Substantiven, denen jeweils ein Genus zugeordnet ist. Mit diesem Genus muss dann die Wortform anderer Wörter übereinstimmen, die sich auf das Substantiv beziehen, im Deutschen beispielsweise die Form von Artikeln, Adjektiven und Pronomen. Man bezeichnet solche Übereinstimmungsregeln als Kongruenz. Eine Sprache hat also ein Genussystem, wenn es derartige Regeln der Genus-Kongruenz gibt, aus denen man dann verschiedene Klassen von Substantiven ersieht.[1] Die Klassifikation der Substantive, die sich an der Kongruenz zeigt, kann die Deutung von Pronomina unterstützen: In einer Konstruktion wie „der Deckel der Kiste, der/die grün gestrichen ist“ weiß man nur durch das Genus des Relativpronomens, worauf sich der Relativsatz bezieht.

Im Deutschen und anderen Sprachen gibt es Genera, die die Namen der natürlichen Geschlechter (Sexus) „männlich/maskulin“ oder „weiblich/feminin“ tragen. Es besteht dabei durchaus bei vielen Wörtern ein gewisser Zusammenhang zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht (siehe unten). Das Genus bezeichnet jedoch nicht biologische oder andere Eigenschaften des mit dem Wort bezeichneten Lebewesens, Gegenstands oder Begriffs, sondern nur die Weise der Kongruenz anderer Wörter. Auch bezeichnen die meisten maskulinen und femininen Wörter etwas, das gar kein natürliches Geschlecht hat. In anderen Genussystemen braucht die Zuordnung der Genera zu den Substantiven überhaupt nichts mit natürlichen Geschlechtern zu tun zu haben.

Begriffe

Kategorien, Flexion, Kongruenz

In Sprachen, die Genera haben, ist – außer in wenigen Sonderfällen – jedem Substantiv eindeutig ein Genus zugeordnet. Dieses wirkt sich so aus, dass andere Wörter, die sich auf das Substantiv beziehen, in Abhängigkeit vom Genus des Substantivs gebeugt (flektiert) werden, also ihre Form verändern. Das Genus ist die dieser Beugung zugrundeliegende grammatische Kategorie. Zum Beispiel passen sich die Adjektive in dem Ausdruck

ein Adj[angeblich-er] Adj[nigerianisch-er] Prinz(mask.)

dem Genus (Maskulinum) des Substantivs Prinz an. Die Übereinstimmungsregel besteht zwischen dem Substantiv und seinen Attributen sowie dem Artikel ein (im Beispiel haben wir zwei getrennte Attribute, daher zweimal Beugung). Eine solche Übernahme einer grammatischen Kategorie bei einer Beugung heißt Kongruenz (für eine abweichende Konzeption siehe Rektion #„Genus-Rektion“). Das Substantiv Prinz dagegen trägt das Genus „maskulin“ als ein festes Merkmal, es entsteht dort nicht durch Kongruenz mit der grammatischen Umgebung.

Das Genus eines Substantivs ist diesem also fest zugeordnet, so dass es keine Beugung von Substantiven nach dem Genus gibt. Fälle wie Koch / Köchin (sogenannte Movierung) sind kein Gegenbeispiel, denn es handelt sich hierbei um Ableitung eines neuen Wortes, nicht um verschiedene Beugungsformen desselben Wortes. Man sieht dies daran, dass die Basis der Ableitung, nämlich Koch, selbst schon ein maskulines Genus trägt, das abgeleitete Köchin ist ein neues Wort, mit einem anderen Genus. Daher ergibt sich auch der Unterschied, dass der Plural eines Substantivs sehr wohl eine Beugungsform ist, im Gegensatz zum Genus: Der Plural kommt erst durch die Beugungsform an den Wortstamm des Substantivs, dieses Merkmal ist nicht schon im Wortstamm vorhanden.

Für den Nachweis, ob eine Sprache Genus hat, ist es somit wichtig, nicht einfach auf das „Geschlecht“ eines Substantivs zu schauen, sondern Genus als grammatisches Merkmal zeigt sich nur in der Beugung anderer Wörter aufgrund von Kongruenzregeln. Welche Wortarten in einer Sprache hinsichtlich des Genus mit dem Substantiv kongruieren, ist von Sprache zu Sprache verschieden (siehe Abschnitt Genuskongruenz). In einigen Fällen kann auch ein Pronomen ein eigenes Genus haben, mit dem dann andere Wörter kongruieren (siehe Abschnitt Genus von Pronomen).

In manchen Sprachen kann man aus der Form des Substantivs und aus den Beugungsformen nach Numerus und Kasus auf sein Genus schließen. Oder es besteht ein Zusammenhang zwischen Wortbedeutung und Genus. Solche morphologischen (die Wortformen betreffenden) oder semantischen (die Bedeutung betreffenden) Zusammenhänge machen aber nicht das Genus aus; dieses ist vielmehr durch die Genuskongruenz anderer Wörter charakterisiert. Das zu unterscheiden ist wichtig, weil solche Zusammenhänge oft nicht alle Substantive abdecken oder einige Ausnahmen haben, wohingegen die Kongruenzen durch das Genus eindeutig bestimmt sind, selbst wenn die Zuordnung des Genus zum Substantiv irregulär erscheint. Beispielsweise haben im Deutschen Wörter, die nur weibliche Personen oder Tiere bezeichnen, regelmäßig – aber nicht ausnahmslos – feminines Genus, Diminutive auf „-chen“ dagegen neutrales. Das Wort „Mädchen“, bei dem sich diese beiden Regeln widersprechen, hat trotzdem ein eindeutiges Genus, das im selben Satz alle Kongruenzen eindeutig bestimmt, nämlich das neutrale. Im Teilsatz „das Mädchen, das seine Haare offen trug“ kann es mit „Mädchen“ keine femininen Kongruenzen geben[2]. – Zur Abgrenzung der Genera von morphologischen und semantischen Eigenschaften von Substantiven siehe den Abschnitt Abhängigkeiten des Genus.

Andere Kategorien des Substantivs

Neben dem Genus gibt es weitere Kategorien des Substantivs, die ebenfalls auf kongruierende andere Wörter einwirken können. Hier geht es um das Zusammenspiel mit dem Genus. Oft werden Genus, Numerus und – falls in der Sprache vorhanden – Kasus als die drei für Substantivkongruenzen verantwortlichen Kategorien genannt (KNG-Kongruenz), aber auch andere Kategorien, insbesondere Definitheit und Belebtheit, können eine Rolle spielen.

Numerus

Manche Sprachen unterscheiden die Genera nur im Singular, nicht im Plural. Das gilt für das Deutsche und die anderen germanischen Sprachen bis auf Färöisch und Isländisch, ebenso für die nordostslawischen Sprachen Belarussisch, Russisch und Ukrainisch und die südostslawischen Sprachen Makedonisch und Bulgarisch. Bei diesen Sprachen sind im Plural die kongruierenden Artikel und Adjektive in allen Kasus unabhängig vom Genus des Substantivs:

  • alter Herr – Plural ohne Artikel: N/A: alte Herren, G: alter Herren, D: alten Herren – Plural mit Artikel: die / der / den / die alten Herren
  • alte Dame – Plural ohne Artikel: N/A: alte Damen, G: alter Damen, D: alten Damen – Plural mit Artikel: die / der / den / die alten Damen

Sämtliche baltische und viele romanische Sprachen unterscheiden dagegen auch in der Pluralform zwei Genera, nämlich maskulin und feminin, ebenso die semitischen Sprachen.

Wenn die Genusunterschiede im Plural verschwunden sind, lässt sich bei Wörtern ohne Singular (den Pluraliatantum) das zugrundeliegende Genus nicht aus den Kongruenzen ermitteln, sondern allenfalls aus der Wortgeschichte wie bei Kosten und Ferien, die vom mittelhochdeutschen femininen koste und vom lateinischen femininen Pluralwort feriae abstammen. In Wörterbüchern wird dann oft statt eines Genus „Mehrzahl“ angegeben.

In einigen Tochtersprachen des Lateinischen gibt es sogenannte ambigene Substantive, welche ein Überbleibsel der alten Klasse der Neutra fortsetzen. Diese Substantive verhalten sich im Singular stets wie Maskulina, im Plural dagegen wie Feminina. Im Französischen und Italienischen handelt es sich hierbei nur um eine Handvoll Wörter, während dieses Schema im Rumänischen eine große Zahl von Substantiven erfasst hat (mehrere tausend); die Gruppe dieser Substantive wird im Rumänischen darum häufig als Neutra etikettiert, obwohl sie keine eigenen Formen aufweist, sondern sich lediglich numerusabhängig der jeweiligen Formen der anderen beiden Genera bedient. Auch im Albanischen gibt es Ambigenera.

Beispiele für Ambigenera:

  • im Italienischen: il labbro (Sg.m.def.) – le labbra (Pl.f.def.), die Lippe – die Lippen
  • im Französischen: l’amour mortles amours mortes (Pl.f.def.), die tote Liebe – die toten Lieben
    sowie le vieil homme (Sg.m.def.) – les vieilles gens (Pl.f.def., nur vor dem Subst.), der alte Mensch – die alten Menschen
  • im Rumänischen: scaunul (Sg.m.def.) – scaunele (Pl.f.def.), der Stuhl – die Stühle

Setzt man nicht voraus, dass Genus und Numerus völlig unabhängig voneinander sind, kommt man zu einer Beschreibung, in welcher die meist zwei Numeri je in eine oder mehrere Klassen zerfallen und zu jedem Wort festliegt, in welcher Singular- und Pluralklasse es liegt, falls es im jeweiligen Numerus überhaupt vorkommt. In diesem Modell gäbe es beispielsweise für das Deutsche vier Klassen: die drei Singulargenera und eine gemeinsame Klasse für alle Pluralwörter einschließlich der Pluraliatantum, da die Kongruenzen von Pluralwörtern nicht vom Genus des Singularwortes abhängen. Im Rumänischen oder Französischen gäbe es auch vier Klassen, nämlich maskulin und feminin je in Singular und Plural, und auch die Ambigenera passen in das Schema. Bei den Nominalklassen der Bantusprachen wird das so gemacht; für die Genera der indogermanischen und semitischen Sprachen ist es nicht üblich.

Kasus

Kasus ist eine Kategorie, die am Substantiv und an kongruierenden Wörtern – mehr oder weniger dieselben, die auch hinsichtlich des Genus mit dem Substantiv kongruieren – die Wortform ändert. Im Deutschen werden die Substantive kaum noch verändert (nur Genitiv-s bei maskulinen und neutralen Wörtern im Singular sowie Dativ-n im Plural), so dass sich der Kasus hauptsächlich am Artikel zeigt sowie dann am Adjektiv, wenn der Artikel fehlt oder keine genus- und kasusspezifische Endung hat. Voll ausgebildete Kasus gibt es in den meisten slawischen, baltischen und inselnordischen Sprachen, wohingegen die übrigen germanischen und die romanischen Sprachen die Kasusunterscheidung aufgegeben haben.

Definitheit

Die Definitheit eines Substantivs ist eine grammatische Kategorie, mit der bezeichnet wird, ob mit dem Substantiv bestimmte Dinge oder Personen gemeint sind oder unbestimmte. Sie kann gemeinsam mit den Kategorien Genus, Numerus und Kasus auf kongruierende Wörter einwirken wie im Folgenden beschrieben.

Im Deutschen und vielen anderen Sprachen wird Definitheit durch Verwendung des bestimmten Artikels ausgedrückt, der mit dem Substantiv nach Genus, Numerus und Kasus kongruiert. Die Ersetzung des definiten durch den indefiniten Artikel wird aber nicht als Beugung des Artikels nach der Kategorie Definitheit aufgefasst. Der Artikel kann auch am Substantiv selbst als Nachsilbe (so in den skandinavischen Sprachen je nach Kontext sowie im Rumänischen und im Albanischen) oder als Vorsilbe (so im Arabischen und Hebräischen) angebracht sein. Andere kongruierende Wörter wie Adjektive sind seltener betroffen. Beispielsweise wird im Hebräischen nicht nur das Substantiv mit der genus- und numerusunabhängigen Artikelvorsilbe ha- versehen, sondern auch Adjektive, und die Konstruktion der gesamten Nominalphrase ist abhängig von Genus und Definitheit:[3]

  • schloscha jeladim tovim (indef., mask.) – drei (Grundform schalosch) gute (GF tov) Kinder (GF jéled)
  • schlóschet hajeladim hatovim (def., mask.) – die drei guten Kinder
  • schalosch jeladot tovot (indef., fem.) – drei gute Mädchen (GF jalda)
  • schalosch hajeladot hatovot haélle (def., fem.) – diese (genusunabh. GF élle) drei guten Mädchen

Belebtheit

In vielen Sprachen wird in der Grammatik ein Unterschied zwischen belebten und unbelebten Substantiven gemacht, wobei die Grenze meist zwischen Mensch und Tier einerseits und Pflanzen, Dingen und Abstrakta andererseits verläuft, manchmal auch zwischen Mensch und Tier. In den anatolischen Sprachen, einem ausgestorbenen Zweig der indogermanischen Sprachen, ist die Belebtheit das Hauptkriterium für die Zuordnung von Substantiven zu den beiden Genera.

In Sprachen mit einem anderen Genussystem kann die Belebtheitkategorie die Genera weiter differenzieren. Beispiele:

  • In manchen Sprachen, deren Genussystem keinen Bezug mehr zu natürlichen Geschlechtern hat, werden trotzdem verschiedene Pronomen in Abhängigkeit vom Geschlecht von Personen verwendet, etwa im Dänischen, wo die Personalpronomen der 3. Person Singular für Sachen genusabhängig den (Utrum) und det (Neutrum), für Personen aber geschlechtsabhängig han (männlich) und hun (weiblich) lauten. Sieht man das als Genusunterschied an, gibt es vier statt zwei Genera.
  • Ähnlich ist es im Englischen, wo he, she und it (mit den Possessivpronomen his, her und its) hauptsächlich nach Belebtheit und natürlichem Geschlecht unterschieden werden, obwohl es ansonsten keine Genera gibt.
  • In manchen slawischen Sprachen hat im Singular maskuliner Wörter und im Plural der Akkusativ bei Lebewesen dieselbe Form wie der Genitiv, bei Unbelebtem wie der Nominativ. Sie unterscheiden dann zwischen einem belebten Maskulinum für Personen mit männlichem Sexus (tschechisch nový král = neuer König, Genitiv nového krále, Akkusativ nového krále) und einem unbelebten Maskulinum (tsch. nový hrad = neue Burg, Genitiv nového hradu[4], Akkusativ nový hrad), haben also in gewisser Weise vier Genera.[5]
  • In Swahili gibt es ein Klassenpaar (Klasse 1/2 für Singular/Plural) ausschließlich für Lebewesen, aber Lebewesen können auch in anderen Klassen vorkommen. Sie haben dann einen Teil ihrer Kongruenzen nach ihrer Klasse und einen Teil nach Klasse 1/2 wegen der Eigenschaft, belebt zu sein. Auch hier erhöht sich die Zahl der Genera, wenn man das als Genusunterschied betrachtet.

In Grammatiken verzichtet man darauf, diese Unterscheidungen als gesonderte Genera zu betrachten und beschreibt die Abweichungen bei belebten Substantiven stattdessen als ergänzende Regeln über Deklination und Genuskongruenz.

Im Deutschen betrifft die Belebtheit – wie in den ersten beiden Beispielen oben – hauptsächlich Pronomen (wer/was, jemand/etwas); siehe dazu den Abschnitt Genus von Pronomen.

Belebtheit ist durch die Bedeutung des Wortes gegeben, so dass Synonyme dieselbe Belebtheit aufweisen. Beim Genus kommt es dagegen vor, dass es wechseln kann, wenn ein Wort durch ein Synonym ersetzt wird: „ein Mensch und sein Beruf“, aber „eine Person und ihr Beruf“, oder „ein Weib und sein Beruf“, aber „eine Frau und ihr Beruf“. Kommt so etwas in der Sprache nirgends vor, ist es fraglich, ob es sich um eine Genusunterscheidung handelt.

Ein Beispiel einer anderen Kategorisierung nach Wortbedeutung, die üblicherweise nicht als Genus betrachtet wird, sind die Zähleinheitswörter in ostasiatischen Sprachen, die man als Modifikationen des davor stehenden Zahlworts oder Demonstrativpronomens betrachten kann und die vom danach stehenden Substantiv abhängen.

Nicht eindeutiges Genus

Nicht immer ist das Genus eines Substantivs eindeutig, auch wenn es sich nicht um zufällige Gleichheit (Homonymie) verschiedener Wörter handelt wie bei der / die Kiefer oder der / das Tau. Manchmal wird ein und dasselbe Wort regional oder individuell mit verschiedenem Genus benutzt, ohne dass eines der Genera als richtig und das andere als falsch gilt: der / das Gummi, der / das Katheder, die / das Cola, der / die Abscheu, der / die Dispens, der / das Traktat. Bei einigen Wörtern hat sich bei der Auseinanderentwicklung der Bedeutungen desselben Wortes (Polysemie) gleichzeitig das Genus differenziert: der / das Schild, der / das Verdienst, der / das Korpus, die / das Anerkenntnis, der / das Teil, der / die See.

Zur Uneindeutigkeit des Genus bei Pluraliatantum und Ambigenera siehe den Abschnitt Numerus.

Manche scheinbaren Uneindeutigkeiten des Genus kommen auch von der Erwartung, das Genus müsse immer dem natürlichen Geschlecht entsprechen. So nennt der antike Grammatiker Dionysios Thrax (2. Jhdt. v. Chr.) in seiner griechischen Grammatik neben den üblichen drei Genera, die er als unzweifelhaft existent ansieht, zwei weitere, die „manche hinzufügen“:[6]

  • Γένος κοινόν (génos koinón „gemeinsames Geschlecht“; lat. Genus commune) bezeichnet die Genusausprägung von Substantiven, die je nach dem biologischen Geschlecht des bezeichneten Wesens als maskulin oder feminin verwendet werden (etwa bei Dionysios (ho / hē) híppos ‘Pferd’). Im Deutschen sind solche primären Substantive selten (der / die Präses, der / die Hindu, der / die Azubi); hierher gehören in großer Zahl sekundäre Substantive in Form von substantivierten Partizipien (der / die Reisende, der / die Studierende) und substantivierten Adjektiven (der / die Kranke, der / die Jugendliche). Im Französischen sind entsprechende Substantive häufig (un / une enfant, le / la ministre, le / la pianiste und andere Personenbezeichnungen auf -e). Sie verhalten sich wie zwei polyseme Wörter mit unterschiedlichem Genus.
  • Γένος ἐπίκοινον (génos epíkoinon „vermengtes Geschlecht“; lat. Genus promiscuum oder Genus epicoenum) bezeichnet die Genusausprägung von Substantiven mit eindeutig festliegendem Genus, deren Bedeutung Wesen beider biologischen Geschlechter einschließt. Als Beispiele nennt Dionysios (hē) chelidōn (Schwalbe) und (ho) aetós (Adler), also ein Femininum und ein Maskulinum für Tiere, bei denen es keine spezifischen Wörter für Männchen und Weibchen gibt, aber er nennt weder Neutra noch Personenbezeichnungen.

Die lateinischen Bezeichnungen wurden von Aelius Donatus (4. Jhdt. n. Chr.) geprägt, der die Einteilung des Dionysios mit Abänderungen übernahm[7]. Die deutschen Bezeichnungen aus frühneuhochdeutschen Übersetzungen von Donatus werden heute kaum mehr verwendet. Im allgemeinen deutschen Wortschatz findet sich das Wort Epicönum (auch Epikoinon) für ein dem Genus epicoenum angehöriges Substantiv.

Diese Bezeichnungen werden nicht immer einheitlich verwendet. Im Englischen und Französischen wird das Adjektiv epicene oder épicène in beiden oben beschriebenen Bedeutungen verwendet.[8][9] Genus commune wird auch synonym mit Utrum benutzt.

Nominalklasse

Der Ausdruck Nominalklasse wurde im 19. Jahrhundert eingeführt, zunächst mit Bezug auf eine Klassifikation von Substantiven in Bantusprachen (wie Swahili). Wie beim Genus, das seit der Antike aus Griechisch und Latein bekannt war, dient dabei das Substantiv als Bezugspunkt von anderen Wörtern im Satz, die mit ihm kongruieren; Nominalklasse genügt also derselben Definition wie Genus. Man spricht üblicherweise von Genus, wenn es um die klassischen Sprachen wie Sanskrit, Hebräisch, Griechisch und Latein und um andere indogermanische und semitische Sprachen geht: diese haben zwei oder drei Genera, von denen meistens eines maskulin und eines feminin heißt. Bei Sprachen mit feinerer Klasseneinteilung und bei Vergleichen ganz verschiedener Klassifizierungssysteme spricht man eher von (Nominal-)Klassen, aber auch Genus wird so verwendet. Es ist eine eher historische Unterscheidung ohne scharfe Trennlinie.

Die Nominalklassen der Bantusprachen unterscheiden sich in folgenden Punkten von den Genera der indogermanischen und semitischen Sprachen:

  • Singular und Plural werden getrennt gezählt (siehe dazu den Abschnitt Numerus).
  • Man kann die auftretenden Paarungen von Singular- und Pluralklasse als Genera oder als Deklinationsklassen auffassen, da sich die Kongruenzen bis auf die im Abschnitt Belebtheit beschriebenen Besonderheiten aus der Form des Substantivs in Singular und Plural ergeben.

Genuskongruenz

Das Genus ist eine feste grammatische Kategorie des Substantivs, die an diesem selbst markiert sein kann. Bei italienischen Substantiven wie origano „Oregano“ oder salvia „Salbei“ erkennt man in der Regel an der Endung (-o oder -a) das maskuline oder feminine Genus; bei deutschen Substantiven wie Salbei, Akelei, Einerlei erkennt man es nicht. Dies ist jedoch nicht entscheidend; wichtig ist, dass das Genus an anderen Wörtern im Satz markiert ist, die mit dem Bezugssubstantiv kongruieren, d. h. dasselbe Genus aufweisen. So kongruiert etwa im Deutschen das Adjektivattribut mit dem Bezugsnomen im Genus: frischer Salbei – frische Petersilie – frisches Basilikum. Häufig ist die Genuskongruenz von Determinantien und Attributen eines Substantivs. Mit Partizipien bei der Bildung bestimmter Zeiten, wie im Russischen und Arabischen, oder beim Passiv kongruieren in zahlreichen Sprachen auch Teile des Prädikats mit seinem Subjekt in Genus und nicht nur im Numerus. In romanischen Sprachen kongruiert dasselbe Partizip in Passiv-Bildungen mit dem Subjekt, in Perfekt-Bildungen aber nicht.

Demonstrativpronomina können auch in Subjektsfunktion mit ihrem Prädikationsnomen kongruieren, so im Lateinischen und Italienischen (faccenda ist feminin, problema maskulin):

Questa è una faccenda seria – Das ist eine ernsthafte Angelegenheit
Questo è un problema serio – Das ist ein ernsthaftes Problem

Kongruenz des Artikels

Für das Deutsche ist es üblich, das Genus eines Substantivs zu bezeichnen, indem man die Form des bestimmten Artikels dazu angibt. Das ist aber nicht für alle Sprachen mit Genera so möglich:

  • Viele Sprachen, u. a. Latein und Russisch, haben keine Artikel und auch keine andere Markierung der Definitheit eines Substantivs.
  • Soweit es eine solche Markierung gibt, kann sie auch unabhängig von Genus und Numerus sein wie im Hebräischen und Arabischen, und sie kann auch am Substantiv selbst erfolgen wie in skandinavischen und semitischen Sprachen, also nicht an einem anderen Wort des Satzes.

Kongruenz des Adjektivs

Adjektive verändern meist ihre Form nach Genus, Numerus, und – soweit in der Sprache vorhanden – Kasus des zugehörigen Substantivs. im Deutschen gibt es darüber hinaus auch bei gleichem Genus, Kasus und Numerus bis zu drei Formen, je nachdem, ob das Adjektiv attributiv oder prädikativ gebraucht wird, und im ersteren Fall, ob ein bestimmter Artikel oder Demonstrativpronomen vorangeht. Ähnliche Unterscheidungen gibt es auch in anderen Sprachen; hier Beispiele aus dem Dänischen, Deutschen und Russischen:

n et grønt træ m ein grüner Baum n seljonoje derewo
det grønne træ der grüne Baum
træet er grønt der Baum ist grün derewo séleno
u en grøn eng f eine grüne Wiese f seljonaja lushajka
den grønne eng die grüne Wiese
engen er grøn die Wiese ist grün lushajka selená
n et grønt hus n ein grünes Haus m seljonyj dom
det grønne hus das grüne Haus
huset er grønt das Haus ist grün dom sélen
p grønne træer p grüne Bäume p seljonyje derewja
de grønne træer die grünen Bäume
træerne er grønne die Bäume sind grün derewja séleny

Abkürzungen:

m = Maskulinum
f = Femininum
n = Neutrum
u = Utrum
p = Plural (in diesen drei Sprachen nur ein Plural für alle Genera)

Kongruenz des Zahlworts

In manchen Sprachen unterscheiden sich die Zahlwörter auch jenseits der Eins für Substantive verschiedener Genera, so im Hebräischen oder in Bantusprachen wie Swahili. Im Russischen werden die Zahlwörter zwar dekliniert, aber nur die Zwei ist nach Genus unterschiedlich. Im Hebräischen gibt es die Besonderheit, dass die Zahlwörter zum Zählen maskuliner Objekte feminine Endungen tragen und umgekehrt.

Kongruenz von Pronomen