Annie Girardot

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Annie Girardot 1996 bei der Verleihung des César

Annie Suzanne Girardot (* 25. Oktober 1931 in Paris; † 28. Februar 2011 ebenda[1]) war eine französische Schauspielerin. Ab den 1950er Jahren arbeitete sie mit einigen der größten Namen des französischen und italienischen Kinos zusammen, sowohl in dramatischen als auch in komödiantischen Rollen. 1977 erhielt sie den César als beste Hauptdarstellerin für Dr. med. Françoise Gailland.

Leben

Annie Girardot wurde als Tochter einer Hebamme geboren. Ihren Vater lernte sie nie kennen, er war mit einer anderen Frau verheiratet und starb, als Girardot zwei Jahre alt war.[2] Bedingt durch den Beruf der Mutter wuchs Girardot in der Normandie auf, wo sie das Gymnasium in Caen besuchte.[3] Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester, später nahm sie in Paris an Schauspielkursen teil. 1949 debütierte sie als Dorine in Tartuffe auf der Bühne. 1950 begann sie ein Schauspielstudium am Pariser Conservatoire national supérieur d’art dramatique, das sie 1954 mit Auszeichnung abschloss. Daraufhin erschien sie als Theaterschauspielerin an der Comédie-Française, wo sie in Jean Cocteaus Stück La machine à écrire als „das schönste dramatische Theatertalent der Nachkriegszeit“ gefeiert wurde. Sie verließ das Pariser Nationaltheater 1957, trat kurz als Kabarettistin in Erscheinung und wandte sich dem Kino zu.[4]

Girardot gab ihr Filmdebüt 1956 in Treize à table. Insgesamt wirkte sie in fast 150 Film- und Fernsehproduktionen mit, wobei sie als Charakterdarstellerin vornehmlich in tragischen Schicksalsrollen besetzt wurde. Ihren ersten größeren Auftritt hatte sie 1960 in dem Visconti-Drama Rocco und seine Brüder als Prostituierte an der Seite von Alain Delon. Sie spielte unter anderem in Lebe das Leben (1967, mit Yves Montand), Dillinger ist tot (1969, mit Michel Piccoli), Der Mann, der mir gefällt (1969, mit Jean-Paul Belmondo). Ein Kinokassenerfolg war André Cayattes Aus Liebe sterben (1971), in dem Girardot eine geschiedene Gymnasiallehrerin spielte, die sich in einen minderjährigen Schüler verliebt. Es folgten Kerzenlicht (1972, mit Claude Jade), Die Ohrfeige (1974, mit Isabelle Adjani), Ein verrücktes Huhn (1977, mit Philippe Noiret), Der Querkopf (1978, mit Louis de Funès); 1985 und 1995 folgten noch zwei Filmdramen von Claude Lelouch, Weggehen und wiederkommen (mit Jean-Louis Trintignant und Michel Piccoli) sowie Les Misérables (mit Jean-Paul Belmondo). In einem Porträt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aus dem Jahr 2001 wurde sie als „begnadete Verwandlungskünstlerin“ charakterisiert.[5]

1972 gründete Girardot mit Film-Girsa eine eigene Filmproduktionsgesellschaft, die aber nur zwei Filme produzierte. Aufgrund der finanziellen Schulden aus diesem Projekt nahm die Schauspielerin zeitweise auch mittelmäßige Filmrollen an. Ebenfalls ein finanzieller Misserfolg war für die 50-Jährige eine Revue am Casino de Paris, ein gemeinsames Projekt mit dem Komponisten, Chansonschreiber und Regisseur Bob Decout.[2] Sie nahm mehrere Schallplatten mit Chansons auf.

Sie war 2001 und 2005 in Filmen des österreichischen Regisseurs Michael Haneke zu sehen. In dem Drama Die Klavierspielerin agierte sie an der Seite von Isabelle Huppert und Benoît Magimel; in Caché waren Juliette Binoche und Daniel Auteuil ihre Filmpartner.

Girardot war ab 1962 mit dem 1988 verstorbenen italienischen Schauspieler Renato Salvatori verheiratet; sie hatten eine Tochter, Giulia Salvatori, die am 5. Juli 1962 in Rom geboren wurde.[6] Girardot und Renato Salvatori, die sich bei Dreharbeiten zu Rocco und seine Brüder am Set kennengelernt hatten, lebten in den letzten Ehejahren getrennt.[7] Während der Dreharbeiten zu Kerzenlicht (1971/72), in dem Bernard Fresson den Verlobten von Girardots Filmtochter Claude Jade spielt, beginnt die siebenjährige Liebesbeziehung zwischen Girardot und Bernard Fresson.

2006 wurde bekannt, dass die Schauspielerin seit den späten neunziger Jahren an Alzheimer litt. Ihr engster Freundeskreis um ihren persönlichen Assistenten Léo Bardon hatte beschlossen, die Diagnose vor ihr und der Öffentlichkeit zu verheimlichen, damit sie weiterhin Filme machen konnte. Seit einem Zusammenbruch im Jahr 2008 lebte sie mit der inzwischen weit fortgeschrittenen Krankheit in einem mit entsprechendem medizinischen Gerät ausgestatteten Haus in Paris. Kurz vor dem Zusammenbruch thematisierte Filmemacher Nicolas Baulieu ihr Schicksal in seinem Fernsehfilm Annie Girardot, ainsi va la vie (2008). Ihr Filmpartner und Freund Alain Delon war von ihrem Schicksal so ergriffen, dass er in der französischen Alzheimer-Gesellschaft IFRAD aktiv und 2010 deren Ehren-Präsident wurde.

Am 28. Februar 2011 starb Annie Girardot im Pariser Hôpital Lariboisière. Sie wurde auf dem Cimetière du Père-Lachaise (Division 49) beigesetzt.[8]

Bücher

Von Annie Girardot

  • 1989 veröffentlichte sie ihre Memoiren mit dem Titel Vivre d’aimer ({{#invoke:Vorlage:lang|full|CODE=de|SCRIPTING=Latn|SERVICE=deutsch}} – in Anlehnung an den 1971 gedrehten Film Mourir d’aimer.
  • paroles de femmes, textes de marie-thérèse cuny, édition n 1; 1981, ISBN 2-86391-031-0

Über Annie Girardot

  • Annie, weißt du noch ..., Mainz: VAT Verlag André Thiele 2012, ISBN 978-3-940884-77-0; Schilderung der letzten Lebensjahre von Annie Girardot durch ihren Assistenten und Vertrauten Léo Bardon (Original: Annie, te souviens-tu ..., Paris: Édition Michel Lafon 2009)

Filmografie

  • 1955: Dreizehn an einem Tisch (Treize à table) – Regie: André Hunebelle
  • 1956: Der Mann mit dem goldenen Schlüssel (L’Homme aux clés d’or) – Regie: Léo Joannon
  • 1956: Mord am Montmartre (Reproduction interdite) – Regie: Gilles Grangier
  • 1957: Die Nacht bricht an (Le rouge est mis) – Regie: Gilles Grangier
  • 1957: Meine Frau, mein Junge und ich … (L’Amour est un jeu) – Regie: Marc Allégret
  • 1957: Kommissar Maigret stellt eine Falle (Maigret tend un piège)
  • 1957: Der Pfarrer von Pigalle (Le desert de Pigalle) – Regie: Léo Joannon
  • 1959: Drei Tropfen Blut (La corde raide) – Regie: Jean-Charles Dudrumet
  • 1959: Recours en grâce – Regie: László Benedek
  • 1960: Die Französin und die Liebe (La Française et l’amour) – Regie der 6. Episode: Christian-Jaque
  • 1960: Rocco und seine Brüder (Rocco et ses frères)
  • 1961: Die Beute des Schattens (La Proie pour l’ombre) – Regie: Alexandre Astruc
  • 1961: Galante Liebesgeschichten (Les amours célèbres) – Regie: Michel Boisrond
  • 1961: Hinter fremden Fenstern (Le rendez-vous) – Regie: Jean Delannoy
  • 1961: Smog – Regie: Franco Rossi
  • 1961: Madeleine und der Seemann (Le Bateau d’Émile) – Regie: Denys de La Patellière
  • 1961: Verbrechen aus Liebe (Le crime ne paie pas) – Regie: Gérard Oury
  • 1962: Pourquoi Paris? – Regie: Denys de La Patellière
  • 1962: Il giorno più corto – Regie: Bruno Corbucci
  • 1963: Die Peitsche im Genick (I compagni)
  • 1963: Das leichte Geld der Liebe (La bonne soupe) – Regie: Robert Thomas
  • 1963: I fuorilegge del matrimonio – Regie: Paolo Taviani, Vittorio Taviani, Valentino Orsini
  • 1963: Laster und Tugend (Le vice et la vertu)
  • 1963: Le mari de la femme à barbe – Regie: Marco Ferreri
  • 1963: L’autre femme – Regie: François Villiers
  • 1964: Das ausgeliehene Mädchen (La ragazza in prestito) – Regie: Alfredo Giannetti
  • 1964: Ich war eine männliche Sexbombe (Un monsieur de compagnie)
  • 1964: Ah! Les belles familles – Regie: Ugo Gregoretti
  • 1964: Una voglia da morire – Regie: Ducio Tessari
  • 1964: Déclic… et des claques – Regie: Philippe Clair
  • 1965: Spione unter sich (Guerre secrète)
  • 1965: Drei Zimmer in Manhattan (Trois chambres à Manhattan)
  • 1966: Hexen von heute (Le Streghe) – Episode „Hexen verbrennt man lebendig“, Regie: Luchino Visconti
  • 1967: Lebe das Leben (Vivre pour vivre)
  • 1968: Blaue Gauloises (Les gauloises bleues) – Regie: Michel Cournot
  • 1968: Story of a woman – Regie: Leonardo Bercovici
  • 1968: La bande à Bonnot
  • 1968: Es regnet auf mein Dorf (Il pleut dans mon village) – Regie: Aleksandar Petrović
  • 1968: Disons un soir à dîner – Regie: Giuseppe Patroni Griffi
  • 1969: Dillinger ist tot (Dillinger e morto)
  • 1969: Metti, una sera a cena
  • 1969: Erotissimo
  • 1969: Il seme dell’uomo
  • 1969: Der Mann, der mir gefällt (Un homme qui me plaît)
  • 1969: Clair de terre – Regie: Guy Gilles
  • 1970: Elle boit pas, elle fume pas, elle drague pas, mais… elle cause! – Regie: Michel Audiard
  • 1970: Die Novizinnen (Les novices) – Regie: Guy Casaril
  • 1971: Aus Liebe sterben (Mourir d’aimer) – Regie: André Cayatte
  • 1971: Das späte Mädchen (La Vieille fille) – Regie: Jean-Pierre Blanc
  • 1971: Eine verrückte Familie (La mandarine) – Regie: Édouard Molinaro
  • 1972: Kerzenlicht (Les Feux de la Chandeleur)
  • 1972: Die Superlady (Elle cause plus, elle flingue) – Regie: Michel Audiard
  • 1973: Kein Rauch ohne Feuer (Il n’y a pas de fumée sans feu)
  • 1973: Der Schocker (Traitement de choc)
  • 1973: Der Blonde mit dem blauen Auge (Juliette et Juliette) – Regie: Rémo Forlani
  • 1974: Wann sehen wir uns wieder, Grelu? (Ursule et Grelu) – Regie: Serge Korber
  • 1974: Le Soupçon – Regie: Francesco Maselli
  • 1974: Die Ohrfeige (La gifle)
  • 1975: Gefährlich lebt sich’s besser (Il faut vivre dangereusement) – Regie: Claude Makowski
  • 1975: Es regnet über Santiago (Il pleut sur Santiago) – Regie: Helvio Soto
  • 1975: Der Zigeuner (Le Gitan) – Regie: José Giovanni
  • 1975: Dr. med. Françoise Gailland (Docteur Françoise Gailland) – Regie: Jean-Louis Bertuccelli
  • 1975: D’amour et d’eau fraîche – Regie: Jean-Pierre Blanc
  • 1976: Lauf mir nach, daß ich Dich fange (Cours après moi que je t’attrape) – Regie: Robert Pouret
  • 1976: Jedem seine Hölle (A chacun son enfer) – Regie: André Cayatte
  • 1976: Ardenner Schinken (Jambon d’Ardenne) – Regie: Benoît Lamy
  • 1977: Der letzte Kuß (Le dernier baiser) – Regie: Dolorès Grassian
  • 1977: Le point de mire – Regie: Jean-Claude Tramont
  • 1977: Ein verrücktes Huhn (Tendre Poulet) – Regie: Philippe de Broca
  • 1978: Der Querkopf (La Zizanie)
  • 1978: Nimm’s leicht, Mama (Vas-y maman) – Regie: Nicole Buron
  • 1978: Anklage: Mord (L’amour en question) – Regie: André Cayatte
  • 1978: Die Klassenlehrerin (La Clé sur la porte) – Regie: Yves Boisset
  • 1978: Stau (L’ingorgo – una storia impossibile)
  • 1978: Edouard, der Herzensbrecher (Le Cavaleur) – Regie: Philippe de Broca
  • 1978: Telefonliaison (Cause toujours, tu m’intéresses) – Regie: Édouard Molinaro
  • 1979: Bobo Jacco – Regie: Walter Bal
  • 1980: Eine verrückte Hochzeit (On a volé la cuisse de Jupiter)
  • 1980: Le cœur à l’envers – Regie: Franck Apprederis
  • 1981: Verdammt zum Schafott (Une robe noire pour un tueur) – Regie: José Giovanni
  • 1981: All night long – Regie: Jean-Claude Tramont
  • 1981: Doch das Leben geht weiter (La vie continue) – Regie: Moshé Mizrahi
  • 1981: La Revanche
  • 1984: Back Fire (Liste Noire)
  • 1984: Souvenirs, Souvenirs
  • 1985: Weggehen und wiederkommen (Partir, revenir)
  • 1985: Adieu Blaireau – Regie: Bob Decout
  • 1988: Gefangene (Prisonnières) – Regie: Charlotte Silvera
  • 1989: Fünf Tage im Juni (Cinq jours en juin)
  • 1989: Comédie d’amour
  • 1989: Ruf
  • 1990: So sind die Tage und der Mond (Il y a des jours et des lunes) – Regie: Claude Lelouch
  • 1991: Merci la vie – Regie: Bertrand Blier
  • 1992: Schrei in der Nacht (A cry in the night)
  • 1992: Wendekreis der Angst (Circle of fear)
  • 1993: Mord in der Toskana (Delitti privati) (Fernsehvierteiler)
  • 1994: Rache ist weiblich (Les braqueuses) – Regie: Jean-Paul Salomé
  • 1995: Les Misérables
  • 1995: Der Traum vom Lido (Les filles du Lido) – Regie: Jean Sagois
  • 1996: Les Bidochon – Regie: Serge Korber
  • 1998: Préférence – Regie: Grégoire Delacourt
  • 1998: L’âge de braise – Regie: Jacques Leduc
  • 2000: Ainsi soit nous – Regie: Nathalie Tocque (Kurzfilm)
  • 2000: T’aime – Regie: Patrick Sébastien
  • 2001: Des fleurs pour Irma (Kurzfilm) – Regie: Éric Lacroix
  • 2001: Ceci est mon corps – Regie: Rodolphe Marconi
  • 2001: Die Klavierspielerin (La Pianiste)
  • 2002: Epsteins Nacht
  • 2003: Das Geheimnis der Frösche (La Prophétie des grenouilles) (Stimme des Elefanten)
  • 2005: Zwei ungleiche Freunde (Je préfère qu’on reste amis…)
  • 2005: Caché
  • 2006: Le Temps des porte-plumes
  • 2006: Christian
  • 2007: Boxes

Auszeichnungen

Für ihre Arbeit wurde Annie Girardot mit insgesamt drei César-Filmpreisen ausgezeichnet. 1992 leitete sie die Jury der 42. Berlinale.[6]

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. Vorlage:Zitation In: Vorlage:Zitation ORF, {{#invoke:Vorlage:FormatDate|Execute}}.Vorlage:TemplatePar
  2. a b Annie Girardot. In: Internationales Biographisches Archiv 27/2011 vom 5. Juli 2011 (aufgerufen am 9. Juli 2011 via Munzinger Online)
  3. Annie Girardot. In: Mignon, Paul-Louis: Le théatre d’aujourd’hui de A jusqu'à Z. – Paris : Ed. de l’Avant-Scène, 1966 (aufgerufen via WBIS Online)
  4. Annie Girardot. In: Internationales Biographisches Archiv 36/2001 vom 27. August 2001 (ne), ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 03/2006 (aufgerufen am 1. März 2011 via Munzinger Online)
  5. Wiegand, Wilfried: Roccos Schwester. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25. Oktober 2001, Nr. 248, S. 50
  6. a b dpa und AFP: Vorlage:Zitation In: Vorlage:Zitation {{#invoke:Vorlage:FormatDate|Execute}}.Vorlage:TemplatePar
  7. Annie Girardot ist tot. In: orf.at, 28. Februar 2011, abgerufen am 21. November 2017.
  8. Klaus Nerger: Vorlage:Zitation In: Vorlage:Zitation.Vorlage:TemplatePar
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Girardot, Annie Suzanne (vollständiger Name)
* 25. Oktober 1931 in Paris
† 28. Februar 2011 in Paris
französische Schauspielerin
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