Apologetik

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Apologetik oder Apologie (von {{#invoke:Vorlage:lang|full |CODE=grc |SCRIPTING=Grek |SERVICE=altgriechisch |SUITABLE=variant prefix}}, vgl. a. engl. to apologize) bezeichnet die Verteidigung einer (Welt-)Anschauung.

Begriffsverwendung

Die Bezeichnung ist hergeleitet aus den Verteidigungsschriften des Platon und Xenophon.[1][2]

Insbesondere hat sich die Bedeutung eingebürgert, dass die Rechtfertigung von christlichen Glaubenslehrsätzen und der Teilbereich der christlichen Theologie, in dem man sich mit der wissenschaftlich-rationalen Absicherung des Glaubens befasst, mit dem Begriff Apologetik bezeichnet wird. Eine Einschränkung auf christliche Inhalte würde jedoch eine Begriffsverengung darstellen. Wird der Begriff Apologetik etwa in marxistisch orientierten Studien gebraucht, so sollte besser von „Gesellschaftsapologetik“ gesprochen werden.[2]

Dass der Begriff Apologetik nicht ausschließlich für christliche Inhalte reserviert ist, geht auch aus anderen Wörterbüchern mit Formulierungen wie „Verteidigung von [christlichen] Lehrsätzen“ hervor.[3] Als Apologeten bezeichnet man literaturgeschichtlich nicht nur die ursprünglich griechischen Vertreter einer Gruppe von Schriftstellern des 2. Jahrhunderts, die sich für das Christentum einsetzten, sondern auch verallgemeinernd jeden, der für eine bestimmte Anschauung mit Nachdruck eintritt und sie verteidigt.[3] In der katholischen Theologie wird der apologetische Bereich heute meistens Fundamentaltheologie genannt.

Die Bezeichnung „Apologetik“ wird hauptsächlich für die Verteidigung des christlichen Glaubens gegen Einwände von außen verwendet. Die Apologetik entstand unter diesem Namen als selbstständige Disziplin erst im Spätmittelalter.

Funktionen der Apologetik

Apologetik hat drei wesentliche Funktionen. Sie will

  • durch logische Argumente sowie wissenschaftliche und historische Beweise für die Wahrheit des Glaubens eintreten
  • den Glauben gegen Angriffe von Kritikern verschiedener anderer Weltanschauungen und Glaubensrichtungen verteidigen
  • entgegengesetzte Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen zurückweisen

Die Funktionen der Apologetik, nämlich die vernunftgemäße Verteidigung des eigenen Glaubens und der eigenen Weltanschauung, gibt es auch in vielen anderen Religionen und Weltanschauungen, z. B. im Islam.

Geschichtliche Entwicklung

Bereits im Neuen Testament wird von „Apologie“ gesprochen. In 1 Petr 3,15 EU heißt es:

„Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort (ἀπολογίαν) zu stehen, der nach der Vernünftigkeit (λόγος) der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“

Das ist die klassische Belegstelle (der Locus classicus) für den Begriff Apologie oder Apologetik. In der Apostelgeschichte des Lukas wird die Auseinandersetzung des Urchristentums mit den Weltanschauungen der Umwelt sichtbar: mit der Magie (Apg 8,5-24 EU), dem Polytheismus (Apg 14,8-20 EU) und der griechischen Philosophie (Apg 17,16-34 EU).[4]

Im späten 2. Jahrhundert sahen christliche Apologeten wie Justin der Märtyrer, Athenagoras von Athen und Tertullian ihre Hauptaufgabe darin, den christlichen Glauben gegen Anklagen wegen illegaler Aktivitäten zu verteidigen.

Augustinus von Hippo argumentiert schon in seinen frühesten Schriften gegen den Manichäismus. Vernunftmäßige Argumente für den christlichen Glauben ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Schriften:

„Sie irren sich sehr, die denken, dass wir an Christus glauben ohne irgendwelche Beweise betreffend Christus.“

Das Mittelalter befasste sich mit den Gottesbeweisen. Anselm von Canterbury war der Erste, der den seither viel diskutierten ontologischen Gottesbeweis aufführte. Insbesondere sein Buch Cur deus homo (Warum Gott Mensch wurde) hat eine deutlich apologetische Ausrichtung:

Gott muss als das schlechthin vollkommene Wesen gedacht werden. […] Wäre Gott nur eine Vorstellung und nicht auch real existierend, so wäre er nicht als das schlechthin vollkommene Wesen gedacht. […] Also muss Gott auch existieren.“

Thomas von Aquin hielt diesen Gottesbeweis nicht für überzeugend, führt aber in seiner Summa theologiae fünf Wege zum Gottesbeweis auf:

  • Alles, was bewegt wird, muss von einem Anderen bewegt werden. Letztlich gibt es das erste Bewegende, die Ursache aller Bewegung. Das ist Gott: der unbewegte Beweger (nach Aristoteles).
  • Die sichtbare Welt besteht aus Ursachen und Wirkungen. Jede Wirkung hat eine Ursache, eine Wirkung kann nicht eigene Ursache sein. Die erste wirkende Ursache ist Gott.
  • Jedes kontingente Sein hat seine Ursache letztlich in einer Notwendigkeit. Jede relative Notwendigkeit hat aus einer anderen Notwendigkeit ihre Begründung. Eine Notwendigkeit ist absolut, hat die Notwendigkeit in sich selbst, das ist Gott.
  • Jeder Naturkörper ist mehr oder weniger zweckvoll. Zweckvoll erschaffen kann in der sichtbaren Welt nur ein intelligentes Wesen. Die Welt selbst aber ist vom höchsten intelligenten Wesen erschaffen worden, von Gott.

Als selbständige Disziplin unter dem Namen der Apologetik entsteht die christliche Apologie erst im Zuge innerchristlicher Auseinandersetzungen und, ihrer klassischen Methodik folgend, nach wissenschaftstheoretischen Weichenstellungen des 14. Jahrhunderts.[5]

Die mittelalterliche islamische Theologie verfolgte sowohl die eigenen wissenschaftlichen Grundlagen diskutierende (‚fundierende‘) wie gegenüber tatsächlichen oder fiktiven Anfragen verteidigende (‚apologetische‘) Anliegen in einer als Kalām bezeichneten Disziplin. Das Inventar der dabei verwendeten Begriffe und Argumente hat zahlreiche Parallelen mit vorausliegender jüdischer und christlicher Theologie, das im Kalām weiter ausgearbeitet und dann wiederum von jüdischen und christlichen Theologen des Mittelalters (Scholastik) rezipiert wird.[6]

Apologetik war auch ein Anliegen der Reformatoren. Johannes Calvin ging davon aus, dass der christliche Glaube immer vernünftig ist. Er bestand aber auch darauf, dass der christliche Glaube oft unvernünftig scheint, weil die menschliche Vernunft durch Sünde und geistliche Täuschung beeinträchtigt ist.

Der Mathematiker Blaise Pascal wies die traditionellen Argumente für Gottes Existenz zurück und betonte den persönlichen Beziehungsaspekt des Glaubens an Jesus Christus. Er argumentierte, dass Gott genügend Beweise für die Wahrheit des Christentums gegeben habe, dass jene, welche die Wahrheit erfahren wollten, sie sehen könnten, aber er habe sich nicht in einer Weise gezeigt, dass jene, die nicht glauben wollten, zwangsweise glauben müssten. Bekannt ist Pascal für die Wette des Pascal als einladendes Argument für den christlichen Glauben (verkürzt):

„In diesem Spiel, das wir Leben nennen, muss jeder Mensch eine Wette eingehen. Bei jeder Wette gilt ein Einsatz. Der Mensch muss sein Leben entweder auf die Behauptung setzen, dass die christliche Lehre wahr ist, oder auf die Behauptung, dass sie nicht wahr ist. Wenn ein Mensch diese Wette nicht eingeht, setzt er automatisch auf die Möglichkeit, dass sie nicht wahr ist. … Angenommen, ein Mensch entscheidet sich für den christlichen Glauben: Liegt er richtig mit seiner Annahme, hat er alles zu gewinnen, liegt er falsch, hat er nichts zu verlieren. … Nehmen wir an, ein Mensch entscheidet sich gegen den christlichen Glauben: Liegt er damit richtig, hat er nichts gewonnen. Sollte er aber falsch liegen, hat er alles verloren und verbringt seine Ewigkeit in der Hölle.“

Apologetische Ansätze