Marine-Brigade von Loewenfeld

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Umstrittener Gedenkstein für die Marine-Brigade in Bottrop-Kirchhellen

Die Marine-Brigade von Loewenfeld, auch als 3. Marine-Brigade bekannt, war ein Freikorps der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, das aus Angehörigen der ehemaligen Kaiserlichen Marine aufgestellt wurde.

Offiziere der Marine-Brigade von Loewenfeld (v. l. n. r.): Siegfried Claaßen, Rolf Carls, Friedrich Bruns, Hans Kloebe, Hans Kolbe, Lothar von Arnauld de la Perière und Hermann von Fischel

Ereignisgeschichte

Auf Weisung von Reichswehrminister Gustav Noske vom 3. Februar 1919 stellte Korvettenkapitän Wilfried von Loewenfeld in Kiel aus vormals kaiserlichen Marineangehörigen als ein Freikorps die 3. Marine-Brigade auf. Wesentlichen Anteil daran hatte Wilhelm Canaris, der bereits zuvor zu von Loewenfelds engstem Umfeld gehörte.[1] Anfang März 1919 war die Brigade etwa 1500 Mann stark.

Sie war antirepublikanisch, antidemokratisch und antisemitisch. Der spätere Journalist Axel Eggebrecht, der ihr als junger Mann in Kiel kurz angehörte, verließ sie nicht zuletzt wegen dieses Antisemitismus. Er hatte erlebt, wie Angehörige der Brigade in Kiel einen Juden misshandelt hatten.[2] Die Brigade setzte sich personell „aus reaktionären und radikalisierten … Marineoffizieren“ zusammen. Dem entsprach der öffentliche Auftritt: „Mit wehenden Marine-Kriegsflaggen fuhren unsere Züge durch Deutschland, Wagen und Stahlhelme mit Hakenkreuzen gezeichnet“, so im Rückblick der erste Generalstabsoffizier der Brigade Ulrich von Bose.[3] Mit den Farben Schwarz-Weiß-Rot der "Reichskriegsflagge" – statt mit den "Verfassungsfarben" Schwarz-Rot-Gold – und dieses politische Bekenntnis mit dem Hakenkreuz-Symbol noch verschärfend bekundeten die völkisch-rechtsextremistischen Gegner der demokratischen Republik öffentlich ihre Bereitschaft zu deren Beseitigung mit Waffengewalt.

Im Sommer 1919 entsandte die Reichsregierung das Freikorps Loewenfeld ins gemischtethnische Oberschlesien zum einen gegen polnische Freiwilligenverbände, die für den Anschluss an Polen eintraten,[4] und zum anderen zur Beendigung einer Welle von Streiks im oberschlesischen Industriegebiet.[5] Während des Winters 1919/20 wurde es in der Nähe von Breslau im Grenzschutz Ost verwendet. Ein Einsatz im Baltikum schloss sich an.[6] Dort verfolgten die Freikorps ihre eigenen Ziele. Vielen Beteiligten ging es „schlichtweg darum, Beute zu machen“. Die Einheiten übten "hemmungslos Gewalt" aus, auch in Massakern, denen Tausende zum Opfer fielen, und auch gegen lettische Verbündete.[7] Ein Bataillon der Brigade blieb ständig in Kiel stationiert.

Während des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920 unterstützte die Brigade den Umsturzversuch durch die Besetzung Breslaus, räumte aber nach dem Scheitern der Putschisten die Stadt wieder. Während der Besetzung war es unter von Loewenfeld zur Folterung und Tötung von Verhafteten durch Freikorpsangehörige gekommen.[8]

In Kiel wurde im März 1920 vom Chef der Marinestation der Ostsee Magnus von Levetzow, einem Befürworter des Kapp-Lüttwitz-Putsches noch nach dessen Scheitern, ein Bataillon des Freikorps unter dem Korvettenkapitän Franz Claassen eingesetzt, um dort den Generalstreik gegen die Putschisten zu unterdrücken.[9] Die Arbeiter hatten eine von den Arbeiterparteien und der Sicherheitspolizei organisierte Miliz aufgebaut, die das Bataillon Claassen vertrieb. Dabei liefen einige Brigadeangehörige zur Arbeitermiliz über. Das Bataillon wurde nun an die Ruhr beordert.[10]

Dorthin in den Raum Bottrop schickte die Reichsregierung die Gesamtbrigade im April zur Bekämpfung des Ruhraufstands. Während der Besetzung der Stadt, die ihrer Belagerung und Beschießung mit Artillerie[11] durch das Freikorps folgte, sei der Keller des Rathauses "zu einem regelrechten Folterkeller" geworden, heißt es in einem Zeitzeugenbericht, der an die Schilderungen von Vorgängen in späteren SA-Folterkellern erinnert: "Während des Prügelns mußten die Geschlagenen rufen: ‚Hoch lebe die 3. Marinebrigade.'" Nach seiner Freilassung musste der 18-jährige Arbeiter Joseph Krämer sechs Schichten aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit aussetzen.[12] In einer der Zellen wurde am 27. April 1920 die 19-jährige Bottroperin Maria Lippert mit Reitpeitsche und Gummiknüppel fast bewusstlos geschlagen und von dem Sergeanten Adler der Loewenfeld-Brigade vergewaltigt. Das Freikorps begründete ihre "Verhaftung" damit, sie sei Sanitäterin in der Roten Ruhrarmee und habe ein Pferd gestohlen. Nach ihrer Vergewaltigung kam sie vor ein "außerordentliches Kriegsgericht", das sie freisprechen musste. Mehrfach operiert war Maria Lippert jahrelang arbeitsunfähig.[13]