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Philosophie des Geistes

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Die Philosophie des Geistes ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Natur mentaler Zustände, ihren Wirkungen und Ursachen beschäftigt. Zentral ist dabei die Frage nach dem Verhältnis von geistigen und körperlichen Zuständen. Neben diesen ontologischen Fragen befasst sich die Philosophie des Geistes auch mit den erkenntnistheoretischen Fragen nach der Erkennbarkeit des Geistes.

In der modernen Fachsprache wird nicht zwischen „Geist“ und „Seele“ unterschieden. Vielmehr umfasst hier der Begriff Geist – wie englisch mind – sowohl Bewusstsein und Denken als auch emotionale und andere psychische Funktionen. Entsprechend sind die gleichbedeutenden Adjektive geistig und mental – wie englisch mental – nicht von seelisch (oder psychisch) zu trennen, sondern schließen dies mit ein.

Das Leib-Seele-Problem

Der Kern der Philosophie des Geistes ist das Leib-Seele-Problem, das manchmal auch „Körper-Geist-Problem“ genannt wird. Es besteht in der Frage, wie sich die mentalen Zustände (oder der Geist, das Bewusstsein, das Psychische, die Seele) zu den physischen Zuständen (oder dem Körper, dem Gehirn, dem Materiellen, dem Leib) verhalten. Handelt es sich hier um zwei verschiedene Substanzen? Oder sind das Mentale und das Physische letztlich eins? Dies sind die zentralen Fragen der Philosophie des Geistes. Jede Antwort wirft jedoch zahlreiche neue Fragen auf. Etwa: Sind wir in unserem Denken und Wollen frei? Könnten Computer auch einen Geist haben? Kann der Geist auch ohne den Körper existieren? Die Philosophie des Geistes ist daher mittlerweile ein enorm differenziertes Projekt. Bereits Platon hat dies in seinem Dialog Philebos (30a) thematisiert: „Sokrates: Unser Leib, wollen wir nicht sagen, der habe eine Seele? Protarchos: Offenbar wollen wir das. Sokrates: Woher aber, o lieber Protarchos, sollte er sie erhalten haben, wenn nicht auch des Ganzen Leib beseelt wäre, dasselbe habend wie er und noch in jeder Hinsicht trefflicher?“ Auch literarisch wurde das Thema behandelt, so zum Beispiel in einem mittelalterlichen, 1518 durch den Bieler Stadtschreiber Ludwig Sterner publizierten, deutschsprachigen (alemannischen) Gedicht des Hentz von den Eichen, das ein Streitgespräch zwischen Seele und Leib in der Tradition der Anima-Corpus-Altercationen (z. B. Visio Philiberti)[1] darstellt.

Schematische Übersicht zu grundlegenden Positionen, die hinsichtlich des Leib-Seele-Problems eingenommen werden (Beachte: In der philosophischen Theoriebildung kommt es regelmäßig zu Überschneidungen und Mischformen!)

Die erste klassische Formulierung des Leib-Seele-Problems stammt von René Descartes.[2] Doch das Nachdenken über den Zusammenhang zwischen Körper und Geist geht bis in die Antike zurück. Platon etwa vertritt einen expliziten Dualismus, was sich in seiner Argumentation für die Seelenwanderung zeigt: Kann die Seele den Tod des Körpers überleben, so muss sie etwas anderes als der Körper sein.[3] Bei Aristoteles sieht dies anders aus. Zwar postuliert Aristoteles ein „Pneuma“, das als Prinzip des Lebens allen Lebewesen eigen sei, doch das Pneuma wird der materiellen und körperlichen Welt nicht entgegengesetzt. Plotin, als Hauptvertreter des Neuplatonismus, geht von der Existenz des Einen aus, aus dem die menschlichen Seelen und alles andere entständen. Auch die Körper seien Ausfluss der Seelen, untergeordnet und von diesen weitgehend getrennt. Nach dem Tode trenne sich die Seele gänzlich vom Körper, und durch die moralische Wahlfreiheit vereinige sie sich mit dem Göttlichen oder entferne sich davon.

Im christlichen Mittelalter (Scholastik) ist die Unterscheidung zwischen Körper und immaterieller Seele wiederum Grundlage des Philosophierens. Der Einfluss der mittelalterlichen Philosophie ist in Descartes Formulierung des Dualismus unverkennbar.

Die meisten Menschen empfinden intuitiv eine Kluft zwischen mentalen und physischen Phänomenen. Dies hat dazu geführt, dass lange Zeit dualistische Standpunkte in der Philosophie des Geistes vorherrschend waren. Heute vertritt die Mehrheit der Philosophen materialistische Positionen. Auf dieser Basis muss jedoch die Frage beantwortet werden, wie das Bewusstsein materialistisch zu erklären ist.

Das Leib-Seele-Problem gilt heute als ein spezifisches Problem der europäischen Geistesgeschichte. Insbesondere die Philosophietraditionen in Asien (siehe Östliche Philosophie) gehen von grundsätzlich anderen metaphysischen Annahmen aus, wodurch diese Trennung in Geist und Körper als illusionär oder bedeutungslos erscheint.

Dualistische Antworten auf das Leib-Seele-Problem

Der Dualismus reagiert auf die intuitive Kluft zwischen dem mentalen Innenleben und der physischen Realität wie folgt: Er behauptet, dass hier zwei grundsätzlich verschiedene Phänomene im Spiel seien – eben mentale und physische Entitäten. Je nachdem, wie die Entitäten weiter spezifiziert werden und wie man sich das Verhältnis von mentalen und physischen Entitäten vorstellt, kann man zu sehr verschiedenen Arten von Dualismen kommen.

Ruht der Dualismus allein auf der intuitiven Kluft zwischen Mentalem und Physischem? Oder gibt es konkrete Argumente für den Dualismus? Das wohl bekannteste Argument entwickelte René Descartes in seinen Meditationen.[2] Es lässt sich wie folgt zusammenfassen: „Ich kann mir klar und deutlich vorstellen, dass Geist ohne Materie existiert. Was man sich klar und deutlich vorstellen kann, ist zumindest prinzipiell möglich. Also ist es zumindest prinzipiell möglich, dass Geist ohne Materie existiert. Wenn es prinzipiell möglich ist, dass Geist ohne Materie existiert, dann müssen Geist und Materie verschiedene Entitäten sein. Da also Geist und Materie verschiedene Entitäten sein müssen, ist der Dualismus folglich wahr.“

Die Prämissen dieses Argumentes können bezweifelt werden: Warum sollte zum Beispiel etwas möglich sein, nur weil es klar und deutlich vorgestellt werden kann? Trotz derartiger Probleme werden auch heutzutage noch Variationen von Descartes Argument verteidigt – etwa von Saul Kripke.[4]

Substanzdualistischer Interaktionismus (Influxionismus)

René Descartes, Porträt von Frans Hals (1648)

Die klassische Form des Dualismus ist der interaktionistische Substanzdualismus. Er wurde in maßgeblicher Weise von René Descartes formuliert und hat auch noch heute Anhänger.[2] Karl Popper und John Eccles waren die bekanntesten interaktionistischen Dualisten des 20. Jahrhunderts.[5] Die grundlegenden Ideen lauten wie folgt: Geist und Materie sind verschiedene Substanzen und sie wirken aufeinander ein. Wenn ich mir mit der Nadel in den Finger steche, so werden von dort Signale in das Gehirn geleitet und dort muss es eine „Stelle“ geben, wo das Gehirn auf den immateriellen Geist wirkt. Genau so funktioniert es in die andere Richtung: Wenn ich Schmerzen habe, so wirkt der immaterielle Geist auf das Gehirn. Von da werden Signale ausgesendet und ich ziehe – beispielsweise – meine Hand zurück.

Ein derartiger Dualismus hat mit massiven Problemen zu kämpfen: Wenn es einen Ort der Interaktion zwischen Geist und Gehirn gibt, so müsste dieser Ort auffindbar sein. Die Spekulationen von Descartes (er hoffte auf die Zirbeldrüse als Interaktionsort) wurden jedoch bald widerlegt. Auch sonst wurden nirgendwo sichtbare Stellen im Gehirn gefunden, an denen das Verhalten der Neuronen nur durch einen immateriellen Geist zu erklären wäre. Abgesehen davon, dass im Gehirn gar kein „Platz“ zu sein scheint für eine Interaktion, ist die Art der Wechselwirkung dabei eine offene Frage. In der jüngeren Zeit wurde dafür von einigen, zum Beispiel dem theoretischen Physiker und Mathematiker Roger Penrose, eine Interaktion durch Quanteneffekte vorgeschlagen[6], was aber von Kritikern wie Max Tegmark mit dem Argument zurückgewiesen wird, dass Dekohärenz von Quantenzuständen im Sub-Picosekundenbereich zu schnell eintritt, als dass diese für Hirnfunktionen relevant sein könnten.[7]

Von Karl Popper stammt eine Theorie, die die duale Auffassung der Welt (physikalische Welt und mentale Welt, menschliches Bewusstsein) um eine 3. Welt erweitert. (Drei-Welten-Theorie). Es handelt sich bei der 3. Welt um die Produkte menschlichen Geistes, die unabhängig von einem individuellen Bewusstsein (weiter-)existieren und Ursache für Veränderungen der 1. Welt (physikalische Welt) sein können.

Der große Vorteil des interaktionistischen Dualismus besteht darin, dass er sich mit der Alltagserfahrung der Menschen in Übereinstimmung befindet, da sie sich als geistige Wesen erfahren, getrennt von der physikalischen Welt, aber mit Hilfe ihrer Sinneswahrnehmungen, ihrer Handlungen und ihrer Sprache mit ihr und den Mitmenschen kommunizieren können.

Okkasionalismus

Géraud de Cordemoy (1626–1684), Vertreter des Okkasionalismus

Der sogenannte Okkasionalismus wurde im 17. Jahrhundert als Kritik des Influxionismus bzw. Korrektur des Cartesianismus vertreten und diskutiert. Gemeinsam sind den verschiedenen okkasionalistischen Theorien, dass sie sich gegen die Annahme eines physikalischen Einflusses (influxus physicus) aussprachen, allerdings ohne die cartesianische These einer substantiellen Unterscheidung des Psychischen und Physischen aufzugeben. Die Hauptthese des Okkasionalismus ist, dass anstatt eines physikalischen Einflusses vielmehr stets Gott Ursache jener Ereignisse sei, die vermeintlich durch die jeweilige andere Substanz verursacht wurden. Ein physikalischer Einfluss zwischen dem psychischen und physischen Substanzbereich finde demnach real nicht statt, sondern erscheine dem Betrachter nur als solcher, während Gott als tatsächliche Ursache verborgen bleibe.

Die okkasionalistischen Theorien unterscheiden sich hinsichtlich des Verständnisses, wie Gott durch okkasionelle Ursachen wirksam wird. Nach dem tradierten Verständnis, wie es annähernd etwa den Überlegungen von Géraud de Cordemoy und Louis de La Forge entspricht, korrigiere Gott gegebenenfalls (okkasionell) den jeweiligen Substanzbereich um das entsprechende Ereignis (concursus Dei). Das heißt zum Beispiel, dass ein mentales Ereignis wie etwa der freie Willensentschluss eines Menschen von Gott als solcher registriert und zum Anlass genommen wird, die mit dem jeweiligen Willensentschluss einhergehende Tätigkeit des Körpers zu verursachen. Ursächlich für die körperliche Tätigkeit sei mithin allein die okkasionelle Assistenz Gottes, der singulär und kausal wirksam in den jeweiligen Substanzbereich eingreife, um ihn dem anderen Substanzbereich entsprechend anzupassen.[8] Allerdings wird diese Darstellung insbesondere den späteren Positionen des Okkasionalismus nicht gerecht. So nimmt etwa Arnold Geulincx schon keine singuläre Assistenz Gottes mehr an, sondern vertritt ähnlich wie später dann auch Gottfried Wilhelm Leibniz die These, dass Gott den geistigen und körperlichen Substanzbereich wie zwei gleichgehende Uhren im Vorhinein vollkommen aufeinander abgestimmt eingerichtet habe.[9] Diese doppelte Verwendung desselben Gleichnisses und Leibniz’ vereinfachende Darstellung des Okkasionalismus hat in der Folge zu einer erheblich verkürzten Rezeption der durchaus stark divergierenden okkasionalistischen Lehren geführt. Insbesondere die theologische Dimension des Okkasionalismus, die besonders für dessen bekanntesten Vertreter Nicolas Malebranche maßgeblich war, fiel dabei außer Betracht.

Epiphänomenalismus

Der Epiphänomenalismus ist eine spezielle Form des Eigenschaftsdualismus und ist von Thomas Henry Huxley entwickelt worden. Der Grundgedanke ist, dass das Verhältnis von Geist und Materie wie eine Einbahnstraße zu denken ist: Die Materie wirkt auf den immateriellen Geist, aber nicht umgekehrt. Der Geist ist hier lediglich eine „Begleiterscheinung“ physischer Ereignisse. Der Epiphänomenalismus hat jedoch ähnliche Probleme wie der interaktionistische Dualismus: Wo ist der Ort, an dem die Wirkung auf den Geist stattfindet? Wie hat man sich diese Wirkung vorzustellen? Problematisch ist auch, dass der Epiphänomenalismus dazu zwingt, die Verursachung geistiger Zustände durch andere geistige Zustände ebenso zu leugnen wie die Verursachung von Zuständen der Welt durch geistige Zustände. Die Vorstellung einer Zitrone (ein geistiger Zustand) kann demnach weder die Vorstellung säuerlichen Geschmacks (einen anderen geistigen Zustand) noch Speichelfluss (einen Zustand der Welt) verursachen. Der Epiphänomenalismus liefert jedoch keine starken Argumente dafür, die ohne weiteres für eine Aufgabe dieser Ursache-Wirkungs-Annahme sprechen. Der Epiphänomenalismus wird heute nur noch von wenigen vertreten, ein bekannter Fürsprecher war bis vor kurzem Frank Cameron Jackson.[10]

Eigenschaftsdualismus

Der Eigenschaftsdualismus hat in den letzten Jahren – durch David Chalmers – eine Renaissance erlebt.[11][12] Der Eigenschaftsdualismus gehört nur bedingt in die Reihe der Dualismen: Im Gegensatz zu den anderen Positionen ist er ein Substanzmonismus, ist also sogar mit der These verträglich, dass alles aus kleinsten physischen Teilchen zusammengesetzt ist. Er besteht jedoch darauf, dass es nichtmaterielle Eigenschaften gibt. Chalmers nennt die Eigenschaft „auf bestimmte Art erlebt zu werden“ (die Qualia) eine nichtmaterielle Eigenschaft. Seine Überlegungen stützen sich auf den Begriff der Supervenienz und die Logik reduktiver Erklärungen. Eine wichtige Spielart des Eigenschaftsdualismus ist der Panpsychismus, der davon ausgeht, dass allen physikalischen Entitäten mentale Eigenschaften innewohnen.

Monistische Antworten auf das Leib-Seele-Problem

Baruch (de) Spinoza, Porträt um 1665

Der Monismus besagt, im Gegensatz zum Dualismus, dass es nur eine Substanz gebe (z. B. nur geistig oder nur materiell), wobei die meisten monistischen Theorien materielle Monismen sind. Ein materieller Monismus besagt also, dass die einzig vorhandene Substanz die (physische) Materie sei. Es sind jedoch auch andere Formulierungen möglich: Man könnte auch behaupten, dass es keine Materie gebe, sondern nur den Geist. Ein solcher Monismus wird heute nur noch selten vertreten. Eine dritte Möglichkeit ist, eine Substanz anzunehmen, die weder physische Materie noch Geist ist. Das Mentale und das Physische wären dann entweder Modi oder bloße Eigenschaften dieser einen Substanz. Eine solche Position wurde von Baruch Spinoza vertreten und im 19. Jahrhundert durch Ernst Haeckel populär gemacht. Dieser Monismus ähnelt dem Eigenschaftsdualismus.

Psychophysischer Parallelismus

Gottfried Wilhelm Leibniz, Porträt von Christoph Bernhard Francke, um 1700

Der psychophysische Parallelismus geht davon aus, dass eine Ereignisparallelität zwischen einem psychischen und einem physischen Phänomenbereich besteht. Er hat seine Ursprünge im 17. Jahrhundert und war insbesondere Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wieder eine sehr prominente Position zum Leib-Seele-Problem. Die parallelistischen Theorien unterscheiden sich teilweise hinsichtlich des Verständnisses, wie die Verschiedenheit der Phänomenbereiche aufzufassen ist und wie ihre Parallelität gewährleistet wird. Dem Grunde nach kann auch schon der substanzdualistische Okkasionalismus als parallelistischer Lösungsansatz verstanden werden (ohne dass seine Vertreter allerdings selbst schon von „Parallelismus“ sprachen). Eingebürgert hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts hingegen ein Begriff, nach dem die Phänomenbereiche sich nicht substantiell, sondern perspektivisch unterscheiden.[13]

Zum ersten Mal sprach Gottfried Wilhelm Leibniz von einem „Parallelismus zwischen Seele und Körper“ (parallélisme de l’ame et du corps).[14] In seinem System der prästabilierten Harmonie werden der psychische und physische Phänomenbereich als harmonisierte bzw. parallelisierte Perspektiven auf ein und dasselbe Ereignis verstanden.[15] Damit reagiert Leibniz kritisch sowohl auf die influxionistische als auch die okkasionalistische Lösung des Leib-Seele-Problems. Einerseits teilt er zwar die Kritik an Descartes’ impliziter Annahme eines Influxus physicus. Andererseits aber wendet er gegen den Okkasionalismus ein, dass die Annahme eines ständigen Wunders durch die Assistenz Gottes (Deus ex machina) einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht Genüge tun könne. Stattdessen geht Leibniz von einer vollkommenen Schöpfung Gottes aus, der die Welt bestmöglich eingerichtet habe. Dadurch bestehe eine fortwährende Parallelität von Seele bzw. Geist und Körper, wodurch es bloß so scheinen würde als ob ein physikalischer Einfluss stattfinde.[16][17] Damit steht Leibniz inhaltlich der okkasionalistischen These Arnold Geulincx’ zwar sehr nahe, dass Gott im Vorhinein das Psychische und Physische vollständig aufeinander abgestimmt erschaffen habe. Allerdings unterscheiden sich ihre Theorien darin, dass Geulincx dem cartesianischen Substanzdualismus verpflichtet blieb, während Leibniz ihn als einen übernommenen Fehler scharf zurückwies, der zu der problematischen Annahme eines Influxus physicus überhaupt erst Anlass gegeben habe.[18]

Im 18. Jahrhundert wurde die Parallelismus-These zunächst durch Christian Wolff popularisiert und fand eine weite Verbreitung. Einflussreich wurde sie dann von Immanuel Kant als strenger Kausaldeterminismus kritisiert, da sie der Willensfreiheit entgegenstehe. Dieses Verständnis drückt sich etwa in seiner Bezeichnung „Prästabilism“ aus,[19] die sich an Leibniz’ lateinische Bezeichnung „prästabilierte Harmonie“ anlehnt. Eine Renaissance erfuhr der Psychophysische Parallelismus im 19. Jahrhundert durch Gustav Theodor Fechner, der mit explizitem Bezug auf Leibniz’ Monadologie ebenfalls eine parallelistische Theorie entwickelte.[20] Wie schon für Leibniz sind für Fechner Seele und Körper zwei Perspektiven auf ein und denselben Gegenstand. Von außen betrachtet erscheint der menschliche Körper physisch, von innen betrachtet psychisch. Im Unterschied zu Leibniz, der den Körper als bloßes Phänomen auffasste und die Seele als die zugrundeliegende Substanz, will Fechner das Psychische hingegen als bloß phänomenale Eigenschaft der im menschlichen Körper organisierten Materie verstanden wissen,[21] womit seine Position zum Eigenschaftsdualismus zu rechnen ist. Fechners Theorie ist damit im Unterschied zur spiritualistischen Theorie Leibniz’ zudem ein materialistischer Lösungsansatz. Da nach Fechner das Psychische in gewisser Weise als identisch mit dem Physischen aufgefasst wird, bezeichnete Fechner selbst seine Theorie daher noch als „Identitätsansicht“.[22] Da das Psychische dabei in gewisser Weise als identisch mit dem Physischen aufgefasst wird, bezeichnete Fechner selbst seine Theorie daher noch als „Identitätsansicht“.[23] Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam dann in Anlehnung an Fechners Begriff der Psychophysik die Bezeichnung „psychophysischer Parallelismus“ auf.[24]

Behaviorismus

Der Behaviorismus hat die Philosophie des Geistes in weiten Teilen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrscht. In der Psychologie war der Behaviorismus als Reaktion auf Probleme der Introspektion entstanden: Wenn jemand aufgrund von Introspektion über sein mentales Innenleben berichtet, so ist (oder war damals) keine Überprüfung der Aussagen möglich. Ohne allgemeine Überprüfbarkeit ist jedoch, so die Behavioristen, keine Wissenschaft möglich. Der Ausweg für die Psychologie: Sie sollte auf mentales Innenleben und Introspektion verzichten und stattdessen das Verhalten beschreiben. Man spricht bei diesem wissenschaftlichen Ansatz auch von methodologischem Behaviorismus. Sein Hauptvertreter war John B. Watson. Andere behavioristische Ansätze wie der Radikale Behaviorismus von B. F. Skinner akzeptieren dagegen innere Zustände als legitimen Forschungsgegenstand.[25] So liegen beispielsweise behavioristische Theorien zum Träumen vor.[26]

Parallel zu derartigen Entwicklungen der Psychologie entwickelte sich ein philosophischer Behaviorismus, gelegentlich auch als „logischer“ oder „analytischer“ Behaviorismus bezeichnet. Der Ansatz des philosophischen Behaviorismus ist physikalistisch: Mentale Zustände sind Verhaltensbeschreibungen bzw. -dispositionen. Einer der Hauptvertreter dieser Position innerhalb der Philosophie des Geistes war der britische Philosoph Gilbert Ryle. Dessen 1949 veröffentlichter Klassiker The Concept of Mind entwickelte einen an Ludwig Wittgenstein angelehnten Behaviorismus und prägte die anknüpfende philosophische Debatte über Jahrzehnte hinweg. Ein weiterer „Urvater“ des philosophischen Behaviorismus ist Carl Hempel, der in seinem Werk The Logical Analysis of Psychology stark von den Arbeiten Rudolf Carnaps geprägt war.

Identitätstheorie

Die von John Smart und Ullin Place entwickelte Identitätstheorie[27][28] war die direkte Reaktion auf das Scheitern des Behaviorismus. Wenn mentale Zustände etwas Materielles sind, aber kein Verhalten, so sind mentale Zustände vermutlich mit materiellen Zuständen identisch. Die hier naheliegende Idee: Ein mentaler Zustand M ist nichts anderes als ein Gehirnzustand G. Der mentale Zustand „Wunsch nach einem Kaffee“ wäre also nichts anderes als „das ‚Feuern‘ bestimmter Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen“.

Eine beliebte Analogie zur Veranschaulichung dieser Theorie ist die Identität von Wasser und H2O: Jedes Phänomen, das als Wasser bezeichnet werden kann, kann auch als H2O bezeichnet werden und umgekehrt. Die Eigenschaften von Wasser sind identisch mit den Eigenschaften von H2O. Es bedurfte jedoch eines lang andauernden wissenschaftlichen Prozesses, um den Begriff H2O zu gewinnen und ihn dem Alltagsverständnis von Wasser zuordnen zu können. In ebensolcher Weise gehen Anhänger der Identitätstheorie davon aus, dass der weitere wissenschaftliche Fortschritt in den Neurowissenschaften zunehmend Klarheit über die Identität von mentalen Zuständen und Gehirnzuständen bringen wird.

Zwei Arten von Identität müssen unterschieden werden, nämlich die zwischen Typ- und Token-Identität. Ein Token stellt ein konkretes Exemplar eines Typs dar, während Typen bestimmte Mengen von Exemplaren umfassen, die alle bestimmte Eigenschaften erfüllen. Ein Token ist identisch mit einem anderen Token, wenn es sich um dasselbe Exemplar handelt. So ist beispielsweise der Eiffelturm, den eine Person A gesehen hat, token-identisch mit dem Eiffelturm, den eine andere Person B gesehen hat. Smart stellt jedoch ursprünglich auf eine Typ-Identität ab: Wasser ist typ-identisch mit H2O. Aufgrund des im nächsten Absatz beschriebenen Problems der multiplen Realisierung lässt sich eine Typ-Identität für mentale Zustände und Gehirnzustände nur schwer aufrechterhalten.

Das Problem der multiplen Realisierung ist zuerst von Hilary Putnam formuliert worden.[29] Hiernach scheint es klar zu sein, dass nicht nur Menschen, sondern auch z. B. Lurche Schmerzen haben können. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass alle Wesen mit Schmerzen den gleichen Gehirnzustand aufweisen, da die Gehirne dieser Wesen sich strukturell stark unterscheiden. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann kann der Schmerz auch nicht mit einem bestimmten Gehirnzustand identisch sein. Eine abgewandelte Form der Identitätstheorie kann nun einzelne Realisierungen zu eigenständigen Typen zusammenfassen und sagen: Menschenschmerzen sind identisch mit einem bestimmten Gehirnzustand eines Menschengehirns, während Lurchschmerzen identisch sind mit einem bestimmten Gehirnzustand eines Lurchgehirns. Ian Ravenscroft nennt dies eine eingeschränkte Typ-Identitätstheorie. Führt man diesen Gedankengang weiter, so gelangt man schließlich zu einer Token-Identitätstheorie, die lediglich noch die Identität mentaler Zustände eines Individuums mit dessen Gehirnzustand postuliert.

Zwischen Smarts beabsichtigter Typ-Identitätstheorie und einer Token-Identitätstheorie besteht der wesentliche Unterschied, dass Erstere reduktionistisch ist: Sie möchte unsere mentalen Zustände durch Rückführung auf eine andere Theorie verständlicher machen, so wie die Rückführung von Wasser auf H2O den gesamten Erklärungsapparat von Physik und Chemie auf Wasser anwendbar macht. Wenn mentale Zustände typ-identisch mit Gehirnzuständen sind, so lässt sich die Psychologie schließlich auf die Neurowissenschaft zurückführen. Bei Token-Identität ist dies jedoch nur noch eingeschränkt möglich, da jedes Gehirn sich in seiner Realisierung von jedem anderen Gehirn unterscheidet. Eine Token-Identitätstheorie ist demnach nicht-reduktionistisch.

Trotz dieser Probleme gibt es heute eine gewisse Renaissance der Identitätstheorie, welche vor allem Jaegwon Kim zu verdanken ist.

Die Identitätstheorie erhält Auftrieb dadurch, dass das physikalische Konzept der Materie und ihrer Wechselwirkungen erkennbar nicht abgeschlossen ist. Daraus erwächst die Hoffnung, dass sich aus zukünftigen Erweiterungen des physikalischen Verständnisses möglicherweise auf direktem Wege die Emergenz der neuen „Dimension“ des Bewusstseins ableiten lässt.

Funktionalismus

Der Funktionalismus wurde unter anderem von Hilary Putnam als Reaktion auf die Probleme der Identitätstheorie entwickelt.[29] Die Idee lautet wie folgt: Wenn Wesen mit verschiedenen Gehirnzuständen den gleichen mentalen Zustand haben können (die Identitätstheorie also falsch ist), so muss dennoch etwas existieren, das die Gehirnzustände gemeinsam haben. Der Vorschlag der Funktionalisten ist es, den verschiedenen Gehirnzuständen den gleichen funktionalen Zustand zuzuordnen. Die mentalen Zustände wären dann funktionale Zustände.

Doch was sind funktionale Zustände? Dies wird oft am Beispiel von einfachen Automaten erklärt: Stellen wir uns einen Süßigkeitenautomaten vor. Dieser wirft bei einem Euro eine Süßigkeit aus. Nun kann man den Automaten mit verschiedenen Zuständen beschreiben: Es muss einen Zustand geben, in dem der Automat die Süßigkeit auswirft, ohne weiteres Geld zu fordern. Es muss aber auch Zustände geben, in denen der Automat noch einen Euro oder 50 Cent fordert, um etwas auszuspucken. Im Sinne der Automatentheorie lässt sich der Süßigkeitenautomat so durch abstrakte funktionale Zustände komplett beschreiben. Der Kern des Beispiels ist nun, dass die Beschreibung gilt, ganz egal, woraus der Automat konkret gemacht ist. Die Analogie ist klar: Mentale Zustände sollen funktionale Zustände sein, gleichgültig, von welchen Gehirnzuständen sie konkret realisiert werden.

Zentrales Problem des Funktionalismus ist das Bewusstsein. Als Beispiel dient ein als „China-Gehirn“ bezeichnetes Gedankenexperiment: Jeder Chinese besitze ein Handy und habe klare Anweisungen, welche Nummer er anrufen soll, wenn er von bestimmten anderen Nummern angerufen wird. Man stelle sich nun zusätzlich vor, dass die Zahl der Chinesen und die Zahl der Gehirnzellen eines menschlichen Gehirns gleich seien, und dass man eine Situation herstellen könne, in welcher der aktuelle Verbindungszustand im chinesischen Handynetz identisch mit dem Aktivierungszustand der Neuronen eines menschlichen Gehirns bei der Vorstellung des Eiffelturms sei. Dann ist es intuitiv kaum vorstellbar, dass die durch die Chinesen und deren Handynetz gebildete Gesamtheit tatsächlich allein auf Grund des aktuellen Verbindungszustands und der daraufhin gewählten Nummernfolgen eine Vorstellung des Eiffelturms entwickelt, noch irgendeine andere Vorstellung oder einen anderen mentalen Zustand. Gleichgültig welche Funktion der Verbindungszustand des chinesischen Handynetzes haben mag, ein irgendwie gearteter kollektiver mentaler Zustand ist keine plausible Annahme. Der Funktionalismus erklärt somit auch nicht das Phänomen des Bewusstseins des menschlichen Gehirns, denn inwiefern das Feuern bestimmter Neuronen zu einem bewussten mentalen Erleben führen sollte, bleibt selbst dann unerklärt, wenn dies eine bestimmte Funktion erfüllt.

Nichtreduktiver Materialismus und Emergenz

Bei vielen Philosophen kommen zwei Überzeugungen zusammen:

  1. Der Materialismus ist wahr, mentale Zustände müssen materielle Zustände sein.
  2. Die einzelnen reduktiven Vorschläge sind alle unbefriedigend: Mentale Zustände lassen sich nicht auf Verhalten, Gehirnzustände oder funktionale Zustände zurückführen.

Daraus ergibt sich die Frage, ob es einen nichtreduktiven Materialismus geben kann. Donald Davidsons anomaler Monismus ist ein Versuch, einen solchen Materialismus zu formulieren.[30] Oft wird die Idee mit dem Begriff der Supervenienz formuliert: Mentale Zustände supervenieren über physischen Zuständen, sind aber nicht auf sie zurückführbar. „Supervenieren“ beschreibt dabei eine Abhängigkeitsbeziehung: Das Mentale kann sich nicht verändern, ohne dass sich das Physische verändert.

Auch der Emergenzbegriff spielt in den Debatten um den nichtreduktiven Materialismus eine zentrale Rolle.[31] Ein Phänomen wird genau dann als „emergent“ bezeichnet, wenn es auf der Makroebene eines Systems erscheint, jedoch nicht auf der Mikroebene der Systemkomponenten. In diesem Sinne wird etwa davon ausgegangen, dass das Bewusstsein emergent ist, da Menschen Bewusstsein haben, man aber nicht den einzelnen Teilen des Menschen Bewusstsein zusprechen kann. Dabei wird das Emergenzkonzept häufig mit einer antireduktionistischen These kombiniert: Das Phänomen auf der Makroebene (in diesem Fall: Das Bewusstsein) lässt sich prinzipiell nicht auf die Mikroebene (also etwa Gehirnaktivitäten) zurückführen. In der Philosophie des Geistes ist umstritten, ob eine solche Position wieder zum Dualismus zurückführt. Kritiker des Emergenzbegriffes erklären, dass die Irreduzibilität[32] der Makroebene im Rahmen einer materialistischen Theorie nicht verständlich sei.

Eliminativer Materialismus

Wenn man Materialist ist, die reduktiven Bemühungen für gescheitert hält und einen nichtreduktiven Materialismus für inkohärent hält, so kann man zu einem letzten Mittel greifen und behaupten: „Es gibt keine mentalen Zustände.“[33][34] Eliminative Materialisten behaupten, dass mentale Zustände von unserer Alltagspsychologie eingeführt worden sind. Wenn sich nun die Alltagspsychologie im Laufe der wissenschaftlichen Entwicklung als falsch herausstellt, so müssen wir auch die von ihr postulierten Entitäten abschaffen. Eliminativisten wie beispielsweise Patricia und Paul Churchland verweisen an dieser Stelle oft auf das Schicksal anderer, falscher Theorien im Laufe der Geschichte. Beispielsweise hat sich das System des Hexenglaubens als falsch herausgestellt. Die Konsequenz besteht in der Anerkennung der Nichtexistenz von Hexen.

Philosophie des Geistes im Buddhismus