Reimar Gilsenbach

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Reimar Gilsenbach (* 16. September 1925 in der Freisassensiedlung bei Friedrichsfeld (Niederrhein)[Anm. 1]; † 22. November 2001 in Eberswalde) war ein Schriftsteller, Umwelt- und Menschenrechtsaktivist in der DDR. Er prägte die unabhängige DDR-Umwelt- und Friedensbewegung maßgeblich mit.

Leben

Reimar Gilsenbach, 1995

Gilsenbach wuchs zunächst bei Friedrichsfeld am Niederrhein auf. Den in der Jugendzeit von Anarchisten, Freidenkern und Lebensreformern vorgelebten Idealen blieb er sein ganzes Leben lang treu. 1935 verstarb sein Vater und Gilsenbach zog zu Pflegeeltern nach Fördergersdorf. Ab 1938 besuchte er die Oberschule in Dresden. 1943 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und an der Ostfront bei Narwa eingesetzt. Dort desertierte er und lief zur Roten Armee über. Hier wurde er kurzzeitig in einer antifaschistischen Frontgruppe eingesetzt. Die Weigerung, sich den Kaderstrukturen des Nationalkomitees Freies Deutschland unterzuordnen, brachte ihm mehrere Jahre sowjetische Kriegsgefangenschaft ein.

1947 kam Gilsenbach nach Deutschland zurück, legte das Heimkehrerabitur ab und wurde Journalist der Sächsischen Zeitung in Dresden. Nach zwei Jahren wurde er wegen Diskrepanzen zum stalinschen Sozialismusmodell wieder entlassen. Daraufhin wandte er sich auch beruflich dem Naturschutz zu und wurde 1952 Redakteur der neuen Zeitschrift Natur und Heimat, einer illustrierten Monatsschrift des Deutschen Kulturbunds in Berlin, herausgegeben von der Zentralen Kommission Natur- und Heimatfreunde des Präsidialrates und verlegt beim Kulturbund-eigenen Urania-Verlag Leipzig und Jena. Er war dort, zumindest seit 1959, Chefredakteur, zeitweise zusammen mit Günter Ebert[1] und schrieb auch für das Blatt. Die Zeitschrift wurde ab Oktober 1962 mit der Publikation Wissen und Leben zusammengelegt.[2]

In den 1950er Jahren kämpfte er für die Einrichtung eines Nationalparks Sächsische Schweiz und übte offen Kritik an dem damals dafür zuständigen DDR-Landwirtschaftsministerium. Auch als Schriftsteller widmete er sich zunehmend der Umweltproblematik. Sein Buch Die Erde dürstet von 1961 handelt bereits von weltweiter Wasserknappheit und fordert den verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Wasser. Hinzu kamen Bücher für Kinder.

Gilsenbach wurde in den Zentralvorstand der Gesellschaft für Natur und Umwelt gewählt, der DDR-Antwort auf die in Westdeutschland wachsende Umweltbewegung. In dieser Funktion kritisierte er heftig die großen Missstände im Umweltbereich. Anfang der 1980er Jahre zog Gilsenbach in das Dorf Brodowin am Plagefenn in der Mark Brandenburg, einem der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands. Hier begründete er 1981 gemeinsam mit DDR-Künstlern und -Wissenschaftlern die Brodowiner Gespräche, in denen Umweltthemen offen und kritisch erörtert wurden.

Zu Gilsenbachs Freunden zählten Robert Havemann und Wolf Biermann; Biermanns Tagebücher hielt er seit dessen Ausbürgerung 1976 auf seinem Brodowiner Grundstück versteckt.[3][4]

1989 scheiterten die Versuche, die Gesellschaft für Natur und Umwelt zu reformieren. Aus Gilsenbachs Vorstellungen für notwendige Veränderungen entstand während der Wende die Idee für eine Grüne Liga als Umwelt-Dachverband in der DDR, zu deren Mitbegründern Gilsenbach 1990 zählte.

Gilsenbach trat auch für den Schutz und die Rechte bedrohter Völker ein. In der DDR kämpfte er für die Anerkennung der Sinti und Roma als Verfolgte des Naziregimes. Von einer Weltchronik der Zigeuner, für die er über Jahre recherchierte, erschienen zwei Bände. Gilsenbach war Mitglied im Romani P.E.N.-Zentrum[Anm. 2] und im Schriftstellerverband der IG Medien. Im Bund für Naturvölker setzte er sich besonders für die Belange der letzten indigenen Völker im Amazonasgebiet Brasiliens ein. Er gilt als Ideengeber für das Ökodorf Brodowin.[3]

1994 erhielt Gilsenbach den Erwin-Strittmatter-Preis für Umweltliteratur des Landes Brandenburg und im Jahr 2000 die Hugo-Conwentz-Medaille des Bundesverbands Beruflicher Naturschutz.

Vor allem in seinen letzten Lebensjahren realisierte er die meisten Projekte mit Unterstützung seiner vierten Ehefrau, der Biologin, Sängerin und Publizistin Hannelore Gilsenbach. Dazu zählen vor allem die gemeinsamen musikalisch-literarischen Veranstaltungen zum Thema Umwelt, mit denen sie vor und nach der Wende landesweit unterwegs waren. Wegen ihrer Aktivitäten sollten beide im Rahmen des Stasi-Geheimprojekts „Vorbeugekomplex“ (Befehl 1/67 von Erich Mielke) im Fall besonderer innenpolitischer Spannungen oder dem Verteidigungsfall unter der Kennziffer 4.1.3 verhaftet und in Isolierungslagern interniert werden.[5]

Gilsenbach hat eine Tochter aus erster und eine Tochter aus zweiter Ehe. 2001 starb er an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Brodowin.[6]

Werke

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    • Wer wußte was? Wer will nichts wissen? Wie die Deutschen ihre Verbrechen gegen Sinti und Roma, insbes. den Völkermord von Auschwitz-Birkenau, aus ihrem Erinnern verdrängt haben.
    • Meine Bemühungen zum Gedenken der Opfer des „Zigeunerlagers“ in Berlin-Marzahn. Einige Daten aus 3 Jahrzehnten.
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    • Teil 1: Von den Anfängen bis 1599 Band 10, 1994, ISBN 3-631-44529-6 (319 S.).
    • Teil 2: Von 1600 bis 1799 (unveröffentlicht).
    • Teil 3: Von 1800 bis 1929 (unveröffentlicht).
    • Teil 4: Von 1930 bis 1960 Band 24, 1998, ISBN 3-631-31798-0 (369 S.).
  • Wer wusste was? Wer will nichts wissen? In: Wacław Długoborski Hrsg.: Sinti und Roma im KL Auschwitz 1943-44 vor dem Hintergrund ihrer Verfolgung unter der Naziherrschaft. Verlag Staatliches Museum Auschwitz-Birkenau, Oświęcim 1998, ISBN 83-85047-06-9.
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    • Die Verfolgung der Sinti – ein Weg, der nach Auschwitz führte
    • Wie Lolitschai zur Doktorwürde kam
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Film

  • Michael Schehl & Guntram Fink: Widerstanden, überlebt. Deserteure während des 2. Weltkriegs. Dokumentarfilm 1994, 146 Min.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Im Jahrgang 1961 z. B. mit Texten von Bodo Uhse, Eva und Rosemarie Schuder, Annemarie Auer, Johannes R. Becher, Franz Fühmann, Erwin Strittmatter, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig.
  2. Die neue Zeitschrift führte beide Titel gemeinsam. Belege bis 1981.
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  5. Siehe dazu: {{#invoke:Vorlage:Literatur|f}}
  6. Vorlage:Zitation In: Vorlage:Zitation.Vorlage:TemplatePar

Anmerkungen

  1. In seiner Autobiografie („Wer im Gleichschritt marschiert...“) schreibt er über seinen Geburtsort auf Seite 19: „Spellener Heide östlich von Friedrichsfeld (Niederrhein)“, genannt „Freisassensiedlung bei Friedrichsfeld“. Auf Seite 20 weist er darauf hin: „Die Siedlung lag unweit des Dorfes Bucholtwelmen, in das sie eingemeindet war.“ Bucholtwelmen war damals Gemeinde im Amt Gahlen, Kreis Dinslaken. Heute ist Bucholtwelmen ein Ortsteil von Hünxe. Geographisch liegt sein Geburtsort sicherlich näher bei Friedrichsfeld (heute Ortsteil von Voerde (Niederrhein)), amtlich gehört er jedoch heute zu Hünxe.
  2. P.E.N. der Roma, gegründet 1989 von Rajko Đurić in Belgrad und seit diesem Jahr auch ordentlich assoziiertes Mitglied der Internationalen Schriftsteller-Vereinigung P.E.N. (Quelle: {{#invoke:Vorlage:Literatur|f}})
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