Udo Di Fabio

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Udo Di Fabio auf der Frankfurter Buchmesse 2018

Udo Di Fabio (* 26. März 1954 in Walsum) ist ein deutscher Jurist und Hochschullehrer. Von 1999 bis Dezember 2011 war er Richter des Bundesverfassungsgerichts.[1] Er ist Professor und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht (Abteilung Staatsrecht) an der Universität Bonn und Gründungsdirektor des Forschungskollegs normative Gesellschaftsgrundlagen (FnG).

Leben

Di Fabio ist Nachkomme italienischer Einwanderer. Er war von 1970 bis 1980 als Verwaltungsbeamter im mittleren Dienst in Dinslaken tätig. Parallel absolvierte Di Fabio über den zweiten Bildungsweg das Abitur. Anschließend studierte er Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und Sozialwissenschaften an der Universität-Gesamthochschule Duisburg.[2] 1985 absolvierte er das Zweite juristische Staatsexamen. Von 1985 bis 1986 war er Richter am Sozialgericht Duisburg. 1987 wurde er an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit einer Arbeit über Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren zum Doktor der Rechte und 1990 in Duisburg mit einer Arbeit zum Thema Offener Diskurs und geschlossene Systeme im Fach Sozialwissenschaften promoviert.

Von 1986 bis 1990 war Di Fabio wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn, von 1990 bis 1993 am selben Institut wissenschaftlicher Assistent. Im Jahr 1993 habilitierte Di Fabio in Bonn mit einer Arbeit über Risikoentscheidungen im Rechtsstaat. Im Mai 1993 folgte er dem Ruf der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, im November dem auf eine Professur an die Universität Trier. 1997 übernahm er eine Professur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 2003 eine an der Universität Bonn, wo er seitdem am Institut für Öffentliches Recht (Abteilung Staatsrecht) lehrt.

Im Jahr 1999 wurde Di Fabio auf Vorschlag der CDU vom Bundesrat in den Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts gewählt und gehörte dem Gericht vom 16. Dezember 1999 bis zum 19. Dezember 2011 an. Er war der Nachfolger Paul Kirchhofs, ihm folgte Peter Müller. Sein Dezernat umfasste vor allem das Völkerrecht, das Europarecht und das Parlamentsrecht. In diesen Bereichen bereitete er als Berichterstatter wichtige Urteile seines Senats vor,[3] darunter die Entscheidungen zur Bundestagsauflösung 2005 und zum Lissabon-Vertrag 2009.

Di Fabio ist Mitherausgeber der Fachzeitschrift Archiv des öffentlichen Rechts. Seit 2007 ist er Kuratoriumsmitglied der Bürgerstiftung Rheinviertel sowie des Bonner Rechtsjournals.[4] Er ist Mitglied der Kuratorien der Stiftung Ordnungspolitik und ihres Centrums für Europäische Politik sowie der u. a. von Roman Herzog gegründeten Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung in Freiburg im Breisgau. 2014 wurde er zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates der EKD für das Reformationsjubiläum 2017 gewählt.[5] Di Fabio ist zudem Gründungsmitglied des 2013 ins Leben gerufenen Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Familienunternehmen.[6]

Di Fabio ist römisch-katholisch.[5] Er ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie in Bonn.

Werk und Wirken

Umstritten war sein 2005 erschienenes Buch Die Kultur der Freiheit, vor allem wegen seiner Position zur Familie mit Kindern als gesellschaftliches Leitbild. Während die einen darin einen konservativen Rückschritt in die Anfangszeit der Bundesrepublik Deutschland sahen oder Di Fabios Etikettierung der deutschen Kultur des 19. Jahrhunderts als eine nicht-atlantische bzw. „nichtwestliche Kultur“[7] kritisierten, sahen andere Rezensenten in der Stellungnahme Di Fabios ein auf dem Autonomieverständnis der Moderne beruhendes Konzept, welches Kinder und Familie als Freiheitsgewinn auffasst.

2009 erregte Di Fabio durch einen Beitrag für den Festakt anlässlich des zweihundertjährigen Bestehens des Solinger Tageblatts Aufmerksamkeit, in dem er forderte, die weitreichende Anonymisierung im Netz zu beenden, so dass Urheber von öffentlichen Informationsquellen im Internet für deren Konsumenten identifizierbar sein müssten.[8]

Nach dem Ende seiner zwölfjährigen Zeit als Verfassungsrichter im Dezember 2011 übernahm Di Fabio den Mercator-Lehrstuhl an der Universität Duisburg-Essen.[9]

Di Fabio untersuchte im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die juristischen Grenzen einer Wirtschafts- und Währungsunion.[10] Unter anderem führte er aus, dass bei einer groben Rechtsverletzung der Europäischen Zentralbank das Bundesverfassungsgericht den Bundestag und die Bundesregierung im äußersten Falle dazu verpflichten müsse, aus dem Euro auszutreten.[11]

Di Fabio schrieb das Vorwort zu einem Mitte 2013 erschienenen Buch des Historikers Dominik Geppert mit dem Titel Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro.[12]

Im September 2015 veröffentlichte Di Fabio ein Buch mit dem Titel Schwankender Westen: Wie sich ein Gesellschaftsmodell neu erfinden muss.[13]

Im April 2020 wurde Di Fabio Mitglied des von Ministerpräsident Armin Laschet einberufenen 12-köpfigen „Expertenrats Corona“. Das Gremium aus zwölf renommierten Experten aus unterschiedlichen Disziplinen sollte gemeinsam mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen Strategien für die Zeit nach der Corona-Krise erarbeiten.[14]

Seit November 2020 betreibt er im „Forschungskolleg normative Gesellschaftsgrundlagen“ den Podcast Auf den Grund, in dem er mit Vertretern anderer wissenschaftlicher Disziplinen über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen diskutiert.[15]

Gutachten zur Migrationskrise