Verbrechen gegen die Menschlichkeit

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Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, der durch einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen eine Zivilbevölkerung gekennzeichnet ist. Erstmals völkervertraglich festgelegt wurde der Tatbestand 1945 im Londoner Statut des für den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes geschaffenen Internationalen Militärgerichtshofs. Die heute wichtigste vertragliche Rechtsquelle ist Artikel 7 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs. Die Strafbarkeit von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist daneben auch völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. Entsprechende Straftatbestände finden sich in einer Vielzahl nationaler Strafgesetzbücher. Hannah Arendt, Karl Jaspers und andere halten die Übersetzung von „crime against humanity“ für einen Euphemismus und übersetzen die Formulierung als „Verbrechen gegen die Menschheit“.

Entwicklung des völkerrechtlichen Begriffs

Eine wichtige völkerrechtliche Setzung war die Verurteilung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich am 24. Mai 1915 in einer Protestnote durch die Triple Entente; England, Frankreich und Russland drohten der jungtürkischen Regierung darin, diese „Verbrechen gegen die Menschheit und gegen die Zivilisation“ würden nach Kriegsende verfolgt werden. Juristisch wurde der Begriff erstmals 1946 zur Ahndung der Kriegsverbrechen bei den Nürnberger und Tokioter Prozessen definiert und benutzt. Dieses Vorgehen war damals umstritten, da nach rechtsstaatlichen Prinzipien eigentlich nur Verbrechen verfolgt werden können, die nach dem Erlass eines entsprechenden Gesetzes begangen werden. Damit soll Willkür bei Strafmaß und Definition des Straftatbestands verhindert werden. Der Hinweis auf das nationalstaatliche Rückwirkungsverbot im Strafrecht greift hier allerdings zu kurz, da das Nürnberger Tribunal sich auf das Völkerrecht bezog und auf bestehende internationale Verträge und Verbindlichkeiten hinwies, die durch das NS-Regime im internationalen Maßstab verletzt oder ignoriert worden waren.

In den Nürnberger Prozessen wie auch in mehreren Verlautbarungen der Vereinten Nationen wurde und wird die Massenvernichtung in Konzentrationslagern als „crime against humanity“ beurteilt. Da die „industrielle Tötung von Menschen“ (Hannah Arendt) sich nicht ausschließlich gegen solche jüdischer Abstammung gerichtet habe, handle es sich nicht durchgehend um Völkermord, sondern um ein Verbrechen gegen die Menschheit.

Seit dem 1. Juli 2002 besteht der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag als ständige Institution zur Verfolgung dieser Verbrechen. Der IStGH berücksichtigt den oben genannten Rechtsgrundsatz und darf nur Straftaten verfolgen, die nach dem Inkrafttreten des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (1. Juli 2002) begangen wurden.

Definition der Londoner Charta vom 8. August 1945

„Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter anderem: Mord, ethnische Ausrottung, Versklavung, Deportation und andere unmenschliche Akte gegen die Zivilbevölkerung oder: Verfolgung aufgrund von rassistischen, politischen und religiösen Motiven; unabhängig davon, ob einzelstaatliches Recht verletzt wurde.“

Mit der Londoner Charta verständigten sich die Alliierten auf ein gemeinsames Strafrecht, das ihren jeweiligen nationalen Rechtssystemen übergeordnet war. Sie bildete die juristische Grundlage für die Nürnberger Prozesse gegen die wichtigsten gefangenen NS-Machthaber.

Definition im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs

Artikel 7 des 2002 in Kraft getretenen Römischen Statuts als Rechtsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofes definiert den Begriff „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Einzelnen. Die Vorschrift listet eine Vielzahl einzelner Handlungen (wie etwa vorsätzliche Tötung) auf, die jeweils dann ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, wenn sie im Zuge eines „ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung“ erfolgen. Im Gegensatz zu Kriegsverbrechen können Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch außerhalb bewaffneter Konflikte begangen werden. Zudem werden auch Angriffe gegen die eigene Zivilbevölkerung völkerstrafrechtlich erfasst. Der Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist weiter gefasst als der Tatbestand des Völkermordes. Während Völkermord den Willen zur Zerstörung bestimmter abschließend aufgezählter Gruppen (nationale, ethnische, rassische und religiöse Gruppen) voraussetzt, können Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen jede Zivilbevölkerung begangen werden. In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass ein Täter bezüglich der einzelnen Tathandlung vorsätzlich sowie in Kenntnis des systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung handelt.[1]

Strafbarkeit nach nationalem Recht