Christenverfolgung

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Als Christenverfolgung bezeichnet man eine systematische gesellschaftliche oder staatliche Unterdrückung oder existentielle Bedrohung von Christen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit. Dazu gibt es vielfältige sowohl historische als auch gegenwärtige Beispiele. Christenverfolgung kann Teil der Religionspolitik eines Staates sein. Ebenso kann Christenverfolgung zur Minderheitenpolitik eines Staates gehören, in dem Christen eine religiöse Minderheit darstellen. Christenverfolgung kann auch informell im Rahmen von ethnischen Konflikten oder sozialen Verwerfungen stattfinden.

Während die Christenverfolgung als Begriff eher mit dem „Zweck der physischen Vernichtung“ von Christen definiert wird, werden Formen von Benachteiligungen, Diskriminierungen, Berufsverboten oder Ausschluss von Karrieren, wie sie etwa in der Politik von marxistisch-leninistischen Diktaturen erfolgten, eher als Christenfeindlichkeit oder Christentumsfeindlichkeit bezeichnet.[1] Im Kontext der DDR wird diese Problematik in Deutschland von der „Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte“ am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt untersucht.[2]

Problemlage

Nach Schätzungen der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit, der katholischen Menschenrechtsorganisation Kirche in Not sowie der evangelikalen Organisation Christian Solidarity International bekennen sich 75 bis 80 Prozent der Menschen, die derzeit wegen ihres Glaubens verfolgt werden, zum Christentum.[3] Auch Amnesty International berichtet über systematische Verfolgungen ethnischer und religiöser Minderheiten in verschiedenen Ländern, darunter Christen.[4] Das christliche Hilfswerk Open Doors, das eigene Recherchearbeit leistet,[5] schätzt, dass mehr als 200 Millionen Christen weltweit verfolgt oder diskriminiert werden.[6] Seinem Weltverfolgungsindex von 2019 zufolge finden die stärksten Christenverfolgungen in islamisch geprägten Ländern statt, wobei die Zahl der dokumentierten religiös motivierten Morde an Christen im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel anstieg.[7][8] Der International Religious Freedom Report des Außenministeriums der Vereinigten Staaten schließt Verfolgungen von Christen ein und berichtet im Executive Summary ebenfalls über Länder mit besonderen Problemen. Bei einer Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe beim Deutschen Bundestag stellten Experten, darunter Vertreter der Deutschen Evangelischen Allianz fest, dass es zwar „keine systematische Verfolgung“ von Christen im arabischen Raum gebe, bemängelten allerdings ihren mangelnden staatlichen Schutz und eine fehlende rechtliche Gleichstellung.[9] Die Bundesregierung antwortete auf eine große Anfrage bereits 1999, die Verfolgung von Christen aller Konfessionen nehme in den letzten Jahren sehr besorgniserregende Ausmaße an. Christen würden wegen ihres Glaubens diskriminiert, verlören ihre Arbeitsstellen und Wohnungen, „werden inhaftiert, entführt, verstümmelt und ermordet, ihre Kirchen werden niedergebrannt und ihre Häuser zerstört“.[10] Die in Wien ansässige Beobachtungsstelle für Intoleranz und Diskriminierung von Christen in Europa (Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians) (OIDAC) beobachtet die Situation der Christen in Europa.[11] In ihrem Jahresbericht 2018 legten sie über 500 Fälle von Intoleranz gegen Christen in Europa vor.[12] Die Hilfsorganisation Kirche in Not erklärte das Jahr 2019 zu einem der blutigsten Jahre für Christen.[13]

Begriff

Das letzte Gebet der Christen im Circus Maximus, Ölbild von Jean-Léon Gérôme (1863–1883)

Als Christenverfolgung bezeichnet man in der Kirchengeschichte zunächst die Christenverfolgungen im Römischen Reich bis zur Mailänder Vereinbarung im Jahr 313.

Kollektive Verfolgungen christlicher Gemeinden und Kirchen geschahen unter je eigenen historischen Bedingungen auch im Einflussbereich des Islams, des Nationalismus, Realsozialismus und Nationalsozialismus. Sie reichten von Verhaftungen, Verboten christlicher Versammlungen und Gottesdienste, gezielt gegen christliche Gemeinden gerichteten Enteignungen bis zu Vertreibungen, Massakern, Vergewaltigungen, Mord und Völkermord. Bloße Ablehnung christlicher Lehren, Diskriminierung oder gesetzliche Einengung kirchlicher Tätigkeiten wird dabei nicht als „Verfolgung“ beschrieben. Auch existenzbedrohende Staatsmaßnahmen, die Christen nicht primär wegen ihres Christseins, sondern aus anderen Gründen und mit anderen Gruppen betrafen, fallen nicht darunter, ebenso wenig Verfolgungen christlicher Minderheiten durch andere Christen.

Manche definieren auch lokale, nichtstaatliche Diskriminierungen von und Morde an Christen als Christenverfolgung,[14] andere nur staatliche Unterdrückung[15] oder gesellschaftliche Verfolgung mit Todesopfern.[16]

Der Open Doors Weltverfolgungsindex misst Christenverfolgung an vier Merkmalen:[17]

  1. Rechtlicher und offizieller Status von Christen
    • Ist die Religionsfreiheit mit dem Recht auf öffentliche Versammlung in der Landesverfassung oder den Landesgesetzen verankert?
    • Haben die Bürger das Recht, ungestraft zum Christentum zu konvertieren?
    • Gibt es eine verpflichtende Staatsreligion für jeden Bürger?
    • Dürfen Christen ihre Religion öffentlich ausüben?
  2. Die tatsächliche Situation der im Land lebenden Christen
    • Werden Christen ihres Glaubens wegen verhaftet oder getötet?
    • Werden Christen ihres Glaubens wegen zu Gefängnis- oder Arbeitslagerstrafen verurteilt bzw. in die Psychiatrie eingewiesen?
  3. Reglementierungen durch den Staat
    • Dürfen christliche Literatur und Bibeln im Land gedruckt, verbreitet bzw. eingeführt werden?
    • Werden christliche Veröffentlichungen zensiert/verboten?
    • Dürfen Kirchen gebaut, renoviert oder Räume für gemeindliche Zwecke gemietet/gekauft werden?
  4. Faktoren, die die Religionsfreiheit in einem Land untergraben können
    • Werden Versammlungsorte von Christen oder deren Häuser aus christenfeindlichen Motiven angegriffen?
    • Gehen Behörden den Beschwerden und Anzeigen von Christen wegen nicht-staatlicher Übergriffe nach?

Emir Fethi Caner und Ergun Mehmet Caner fassen Ermordung, Versklavung, Vergewaltigung, Folter, Entführung, Todesstrafe, Gefängnis, Entehrung, Enteignung von zum Christentum Konvertierten, Verbot von christlichem Religionsunterricht, Kirchenbauten oder Besitz einer Bibel unter den Stichworten Christenverfolgung und -diskriminierung zusammen.[18]

Geschichte

Römisches Reich

Faithful unto Death, Ölbild von Herbert Schmalz (1888)

Siehe: Christenverfolgungen im Römischen Reich bis zur Mailänder Vereinbarung im Jahr 313.

Spätantike

Persien

Im spätantiken Sassanidenreich, in dem der Zoroastrismus eine prominente Rolle spielte, kam es, nachdem es bereits zuvor vereinzelt Übergriffe des Staates gegeben hatte (z. B. unter Bahram II.), im 4. Jahrhundert unter Schapur II. zu einer systematischen Christenverfolgung (siehe auch Simon bar Sabbae). Diese Verfolgung, über die die Chronik von Seert und mehrere Märtyrerakten Auskunft geben,[19] war primär politisch motiviert, da fast zeitgleich im Römischen Reich das Christentum privilegiert worden war und der persische Großkönig Kollaboration seiner christlichen Untertanen mit den Römern befürchtete.

Auch in Armenien, das von den Sassaniden beansprucht und teilweise kontrolliert wurde (Persarmenien), wurden Christen immer wieder aus politischen Gründen verfolgt. Im 5. Jahrhundert formierte sich in Persien dann die „nestorianische“ assyrische Kirche des Ostens als eine Art „innerpersische Kirche“. Im Anschluss daran kam es zu einem weitgehenden Ausgleich der Perserkönige mit ihren christlichen Untertanen und nur noch vereinzelt zu Übergriffen. Infolge der Römisch-Persischen Kriege im 6. und 7. Jahrhundert waren die Christen teils aber wieder Repressalien ausgesetzt, so unter Chosrau I. (in dessen zweiter Regierungshälfte) sowie unter Chosrau II. (gegen Ende von dessen Herrschaft, siehe Yazdin und Anastasius der Perser). Als die Araber in den 30er und 40er Jahren des 7. Jahrhunderts im Zuge der Islamischen Expansion das Sassanidenreich eroberten, fanden sie besonders im Westen zahlreiche blühende Christengemeinden vor, die in der Folgezeit zumeist untergingen.

Jemen, Oman

Im Gebiet des heutigen Jemen und Oman waren die herrschenden Himyaren Anfang des 6. Jahrhunderts zum Judentum übergetreten, um nicht in den Römisch-Persischen Kriegen zwischen dem christlichen Oströmischen Reich und dem vom Zoroastrismus bestimmten Sassanidenreich aufgerieben zu werden. Besonders unter dem neunten jüdischen König Yusuf Asʾar Yathʾar (Dhu Nuvas) kam es zu einer blutigen Christenverfolgung, von der „Nestorianer“, besonders aber Miaphysiten betroffen waren. Er wollte sie zum Übertritt zum Judentum zwingen und befürchtete ein Eingreifen Ostroms.

Eine von den Lachmiden einberufene Konferenz in Ramla, über die unter anderem Prokopios von Caesarea berichtet, sollte die Kriege zwischen Ostrom und dem Sassanidenreich beenden (525). Dort forderte Dhu Nuwas den Sassanidenherrscher auf, die Christen seines Landes ebenfalls zu verfolgen. Daraufhin veranlasste Ostrom das befreundete christliche Reich von Aksum, den Jemen zu erobern. Da Dhu Nuwas wiederholt christliche Händler aus Aksum ausweisen und töten ließ, folgte Aksum der Aufforderung und beendete mit seiner Eroberung die jüdische Königsreihe im Jemen.

Mittelalter

Islamische Länder

Nach islamischer Rechtsprechung konnten Christen als sog. Schriftbesitzer unter islamischer Herrschaft als Dhimmis leben. Damit ging die Zahlung der Dschizya einher, wofür ihnen Schutz des Lebens und Eigentums sowie ein gewisses Maß an Religionsfreiheit zugesichert wurde.[20] Dennoch kam es – auch in der Frühzeit des Islam – vereinzelt zu Übergriffen gegen Christen (siehe etwa die Chronik des Pseudo-Dionysius von Tell Mahre).

Der Abfall vom Islam gehört nach islamischer Glaubenslehre zu den schlimmsten möglichen und nicht vergebungsfähigen Sünden.[21] So heißt es beispielsweise in Sure 4, Vers 137:

„Denen, die glauben und dann ungläubig werden, dann wieder glauben und dann wieder ungläubig werden und dann im Unglauben zunehmen, denen wird Gott unmöglich vergeben, und Er wird sie unmöglich einen rechten Weg führen.“

Übersetzung nach Khoury; vgl. u. a. 2:217 und 16:106 f.

Während der Koran keinerlei diesseitige Bestrafung von Apostaten vorsieht,[22] sind diese nach islamischem Recht zu töten.[23]

Islamische und christliche Herrscher bekämpften sich seit dem Mittelalter in den umstrittenen Gebieten des Mittelmeerraums – besonders in Kleinasien, Afrika und Spanien. Später kam es auch zu wechselseitigen Verfolgungen in den jeweils von einer Religion beherrschten Ländern an den Minderheiten der anderen Religion.

Bekannt sind Massaker an Christen und Juden im Kontext der Kreuzzüge. Unter den Almohaden, Mauren und Seldschuken wurden dann auch katholische und orthodoxe Christen teilweise systematisch vertrieben und ermordet.

Siehe auch: Glaubensfreiheit im Islam

Neuzeit

Japan

Christliche Märtyrer in Nagasaki – 17. Jh.

Nach der ersten Landung portugiesischer Seeleute auf Japan 1542 begann sehr bald eine christliche Missionierung unter Führung von Francisco de Xavier. In den folgenden Jahrzehnten konvertierten mehrere hunderttausend Japaner, darunter auch einige Fürstenfamilien (Daimyō), unter Duldung der sich zu diesem Zeitpunkt erst bildenden Zentralregierung zum Christentum.

Zwar verwies bereits Toyotomi Hideyoshi um 1587 die Missionare des Landes, da er in der Einflussnahme jesuitischer, vor allem aber franziskanischer Missionare eine Bedrohung seiner Machtposition sah. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde dieser Erlass jedoch kaum durchgesetzt. Erst 1597, ein Jahr vor Hideyoshis Tod, wurden 26 Christen gekreuzigt (Märtyrer von Nagasaki).

Hideyoshis Nachfolger Tokugawa Ieyasu zeigte sich zunächst tolerant, da er auf den Handel mit den Portugiesen angewiesen war, und wohl auch durch den Einfluss seines englischen Beraters William Adams. Doch nach Adams’ Tod, und nachdem auch zu Holland und England Handelsbeziehungen entstanden (wodurch auch der Konflikt zwischen römisch-katholischem Christentum und dem Protestantismus in Japan bekannt wurde), änderte sich die Einstellung unter seinen Nachfolgern. Grund dafür war die Furcht vor christlichen Glaubenskriegen in Japan sowie die Erkenntnis, dass viele Christen untereinander und gegenüber der Kirche größere Loyalität zeigten als gegenüber dem Tennō und dem Shōgun. Ab etwa 1612 wurde das Christentum schrittweise verboten. 1616 ließ die japanische Obrigkeit den zum Christentum übergetretenen Einwohnern die Wahl zwischen Todesurteil und einer Abschwörung, wobei der Schwur sowohl beim dreifaltigen Gott, der Jungfrau Maria und den Engeln geschworen werden musste, als auch einen an buddhistische und schintoistische Gottheiten gerichteten Eid enthielt.[24][25]

Den Höhepunkt erreichte diese Entwicklung unter Ieyasus Nachfolgern Tokugawa Hidetada und Tokugawa Iemitsu, besonders nachdem sich 1637 auf Kyūshū die überwiegend christliche Bevölkerung im Shimabara-Aufstand gegen das Shogunat erhob. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, über 40.000 Christen getötet. Verfolgungsbehörden wurden eingerichtet, die eine landesweite Verfolgung und Ausrottung der Christen zum Ziel hatten. Wer verdächtigt wurde, Christ zu sein, musste sich öffentlich vom Christentum abkehren und christliche Symbole schänden, die als fumie („Tret-Bilder“) bezeichnet wurden, sowie sich in die Glaubensregister buddhistischer Tempel eintragen und diese regelmäßig besuchen. Diejenigen, die sich weigerten, ihren christlichen Glauben abzulegen, wurden hingerichtet, oft durch öffentliche Kreuzigung oder Verbrennung.

Das japanische Christentum entwickelte sich während dieser Verfolgungsphase zu einer neuen synkretischen Religion, dem Kakure Kirishitan, mit Einflüssen des Buddhismus, des Daoismus und des Shintō. Nach der erneuten Zulassung des Christentums (1873 unter Tennō Meiji) gliederten die Anhänger dieses Glaubens sich in die neu entstehenden christlichen Gemeinden ein, manche lehnten dies aber auch ab, da ihre stark abgewandelte Religion von westlichen Kirchenorganisationen nicht akzeptiert wurde. Sie bilden heute eine schwindende Minderheit, deren Glaubensvorstellungen aber in einer Reihe der so genannten „neuen Religionen“ weiterleben.

Frankreich

Die Französische Revolution 1789 war anfangs nicht kirchenfeindlich orientiert. Die Parole Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wurde auch von vielen Priestern mitgetragen. 1790 verordnete ein Gesetz die Aufhebung nichtkaritativer Klöster. Deren Konvente und Ländereien wie die des katholischen Klerus wurden enteignet und häufig an Stadtbürger verkauft.

Die meisten Kirchenbeamten verweigerten den Eid auf die Zivilverfassung des Klerus und wurden daraufhin zu Zehntausenden inhaftiert und deportiert, häufig auch hingerichtet. In den Folgejahren verarmten die von den ehemaligen Kirchengütern abhängigen Bauern. Gegen ausländische Truppen versuchte die Nationalversammlung 1793 massenhaft Rekruten auf dem Land zum Militärdienst zu verpflichten. Daraufhin kam es vor allem in der Vendée zu Aufständen, die niedergeschlagen wurden. Dabei sollen hunderttausende Menschen getötet worden sein; manche Gegenden verloren ein Drittel ihrer Bevölkerung.

Im selben Jahr wurde die Religionsfreiheit widerrufen und das Christentum verboten. Nach dem Ende der Terrorherrschaft der Jakobiner wurde es 1795 jedoch wieder zugelassen. 1798 besetzten die Franzosen Rom, setzten den Papst ab und riefen die Römische Republik aus. 1799 gelangte Napoléon Bonaparte durch einen Staatsstreich zur Macht und garantierte von nun an dauerhaft die christliche Religionsausübung, ohne aber die Macht des römischen Papstes in Frankreich erneut zuzulassen.

Ob dieser Verlauf als systematische Christenverfolgung oder eher als konfessionell überlagerter Bürgerkrieg zu gelten hat, ist historisch umstritten. Die Angriffe der Revolutionäre auf das Papsttum trugen dazu bei, dass die folgenden Päpste und Katholiken der Aufklärung und Demokratie skeptisch und feindlich gegenüberstanden. Dies hatte Folgen auch im späteren Kulturkampf im Deutschen Kaiserreich. (siehe auch Antimodernisteneid)

Osmanisches Reich

1894 kam es im Bergland von Sassun in der Provinz Muş zu einem Massaker an den orthodoxen Armeniern. Diese wurden von den Kurden bedrängt und von der türkischen Regierung nicht geschützt. Als sie daraufhin beim Widerstand von Sason 1894 Steuern verweigerten und in Istanbul demonstrierten, gingen die Behörden in der ganzen Türkei gegen sie vor: Nach amtlichen Dokumenten wurden 328 Kirchen zu Moscheen umgewandelt, 88.243 Armenier getötet und ungezählte christlich getaufte Armenier zum Übertritt zum Islam gezwungen. Nur diese waren vor weiterer Verfolgung sicher.

Betroffen waren schon 1895 die Suryoye (auch bekannt als Assyrer, Chaldäer oder Aramäer), eine alte christliche Minderheit von etwa 150.000 Angehörigen im kurdischen Bergland. Viele flohen ins Ausland, etwa nach Syrien und in den Irak. In der Folge waren die noch übrigen christlichen Gemeinden vielfach Plünderungen ausgesetzt; bis 1896 starben weitere geschätzte 20.000 türkische Armenier an Hunger, Seuchen und Raubmorden. Bis zu 100.000 Armenierinnen sollen in muslimische Harems verschleppt worden sein.

1909 brachte eine erneute Verfolgung beim Massaker von Adana. 1916, im Ersten Weltkrieg, wurde daraus eine systematische Deportation, die auf die Ausrottung des armenischen Volkes zielte. Auch die christlichen Assyrer waren damals Opfer von Vernichtung und Vertreibung: Die Männer – auch die, die in der türkischen Armee waren – wurden gleich getötet, die Frauen und Kinder verschleppt, wobei die meisten später den Tod fanden. Dies betraf um 1,3 Millionen Menschen, von denen etwa zwei Drittel umkamen. Der Völkermord an den Orientchristen fand unter der Verantwortung des jungtürkischen Regimes statt und wurde mit aktiver Unterstützung von kurdischen Freischärlern ausgeführt.[26][27]

Die assyrischen Christen, die damals aus der Türkei in den Irak fliehen konnten, wurden dort 1933 erneut verfolgt, so etwa beim Massaker von Semile.[28] Dabei spielten nationalistische Gründe mit: Die Christen unter den Kurden hatten mit Unterstützung der Briten und Franzosen einen unabhängigen Staat angestrebt und damit den Hass der türkischen Nationalisten und der irakischen Panarabisten auf sich gezogen. Formaler Anlass war ein angebliches Vergehen gegen nichtreligiöse Staatsgesetze; ein religiöser Christenhass war jedoch gegeben. Nur etwa 30.000 assyrische Christen überlebten. (siehe Völkermord an den syrischen Christen)

Spanien

Von Anfang an war die Zweite Spanische Republik von starkem Antiklerikalismus geprägt und dem Bemühen, den Einfluss der katholischen Kirche zu schwächen. Schon die Konstitution unterwarf die öffentliche Ausübung der Religion der staatlichen Kontrolle und schränkte die Handlungsfreiheit von Ordensgemeinschaften, denen z. B. die Betätigung im Unterricht verboten wurde, stark ein. Der Jesuitenorden wurde 1932 aufgelöst, für andere Orden wurde dasselbe gesetzlich ermöglicht. Das „Gesetz der Konfessionen und Ordenskongregation“ von 1933 schränkte die Freiheit von Kirche und Orden weiter ein.

In den ersten Monaten der Zweiten Republik wurden in verschiedenen spanischen Städten Kirchen niedergebrannt, ohne dass die Regierung dagegen einschritt oder die Täter strafrechtlich verfolgte. Die Zerstörung von Kirchen wurde nach dem Wahlsieg der Volksfront im Februar 1936 verstärkt: In den ersten vier Monaten nach der Wahl wurden 170 Kirchen niedergebrannt, die vollständige Zerstörung 251 weiterer Kirchen konnte verhindert werden. Den Höhepunkt erreichte die Verfolgung nach dem Beginn des Militäraufstands im Juli 1936. Anfang 1937 beschrieb der republikanische Justizminister die Situation:

„Die tatsächliche Situation der Kirche im ganzen loyalen Territorium außer dem Baskenland ist seit Juli des letzten Jahres die Folgende: a) Alle Altäre, Bilder und Kultgegenstände sind, abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen, zerstört worden […] b) Alle Kirchen sind für den Gottesdienst geschlossen, der vollständig […] eingestellt wurde. c) Ein großer Teil der Kirchen, in Katalonien ist das der Normalfall, wurde abgebrannt. […] e) In den Kirchen wurden Lager aller Arten, Märkte, Garagen, Säle, Kasernen, Unterkünfte […] eingerichtet. f) Alle Konvente wurden geleert und das Ordensleben in ihnen beendet. Ihre Gebäude, Kultgegenstände und Güter aller Art wurden verbrannt, geraubt, besetzt und niedergerissen. g) Priester und Ordensleute wurden ohne Anklage festgenommen, ins Gefängnis geworfen und erschossen […] Hunderte von Gefangenen liegen in den Gefängnissen von Madrid, Barcelona und der anderen Großstädte einzig aufgrund der Tatsache, dass sie Priester oder Ordensleute sind. h) Inzwischen ist der Privatbesitz von Bildern und Gegenständen der religiösen Verehrung vollständig verboten. Die Polizei […] dringt in das Innere von Wohnungen […] ein und zerstört mit Hohn und Gewalt […] was mit der Religion zu tun hat oder an sie erinnert.“

Soweit bekannt, fielen der Verfolgung der katholischen Kirche in der zweiten Republik 13 Bischöfe, 4184 Diözesanpriester und Seminaristen, 2365 Ordensmänner, 283 Ordensfrauen und mehrere Tausend Laien zum Opfer.

Nationalsozialismus

In der Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945) gab es keine systematische Christenverfolgung, sondern eine Verfolgung von Geistlichen und Gläubigen, die aus religiösen Gründen gegen die Politik des Regimes protestierten.[29] Das Parteiprogramm der NSDAP von 1920 bekannte sich zu einem „positiven Christentum“ jedoch mit dem einschränkende Zusatz „soweit es mit dem Deutschtum vereinbar ist“. Schon vor der Machtergreifung distanzierte sich der deutsche Episkopat vom Nationalsozialismus, indem er den Katholiken verbot, sich in der NSDAP zu engagieren, und NS-Verbänden untersagte, bei kirchlichen Prozessionen mitzumarschieren.[30] Sämtliche Diözesen im Deutschen Reich sahen sich 1932 veranlasst, die Zugehörigkeit zur NSDAP für „unvereinbar mit dem christlichen Glauben zu erklären“. Nach der Machtergreifung garantierte Adolf Hitlers in seiner Regierungserklärung den Fortbestand der Kirchen und bezeichnete das Christentum als eine der geistigen Grundlagen des deutschen Volkes.

Doch die NSDAP sah sich als Weltanschauungspartei mit totalitärem Machtanspruch. Alles sollte dem Dienst am „deutschen Volkstum“ und an der „arischen Rasse“ unterworfen werden. Das Christentum wurde von den Nationalsozialisten zur „Nationalreligion“ umgedeutet, die den „Willen zur Macht“ (Friedrich Nietzsche) betonen und sich vor allem gegen das „jüdische Untermenschentum“ definieren sollte. Hitlers Antisemitismus war rassistisch begründet und verbunden mit einer diffusen Metaphysik[31], indem er 1923 in Mein Kampf schrieb:

„Indem ich mich des Juden erwehre, kämpfe ich für das Werk des Herrn.“

Die eigentlichen Ziele der Nationalsozialisten formulierte Alfred Rosenberg in seinem Mythus des 20. Jahrhunderts 1930: Im „Blut“ fand er „das göttliche Wesen des Menschen überhaupt“. Die „nationale Ehre“ verstand er als Anbetung dieses Wesens und machte sie damit zu einer Religion. „Gott“ wurde bei ihm zur symbolischen Chiffre für das als Rasse aufgefasste kollektive Unbewusste, das im ewigen Daseinskampf nach Macht ringe. Soweit sich das Christentum der „deutschen Wiedergeburt“ widersetze, sei es Pflicht, es geistig zu überwinden, organisatorisch verkümmern zu lassen und politisch ohnmächtig zu erhalten. Innere Eroberung und äußere Entmachtung der Kirche hingen also eng zusammen.

Der Vatikan unter Pius XI. schloss 1933 mit dem Dritten Reich ein Reichskonkordat ab und konnte so die Organisationsstruktur der katholischen Bistümer wahren. Angesehene Bischöfe wie Clemens August Graf von Galen, der quasi amtsenthobene Bischof der Diözese Rottenburg Joannes Baptista Sproll, Erzbischof von Freiburg Conrad Gröber, der Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing, der Dompropst von Berlin, Bernhard Lichtenberg, der Kapitularvikar von Paderborn, Weihbischof Augustinus Philipp Baumann oder der Bischof von Limburg, Antonius Hilfrich[32] konnten durch ihren entschiedenen Protest zeitweise sogar Mordaktionen wie die Aktion T4 bremsen. Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose wurden zu Märtyrern für ihre christliche Gesinnung. Der sogenannte Kreuzkampf 1936 im katholischen Münsterland und Oldenburger Land gegen die von den Nationalsozialisten geforderte Entfernung der Kruzifixe aus Schulen und öffentlichen Räumen führte zu Verhaftungen einiger Anführer.

Die Versuche, mithilfe der Deutschen Christen (DC) den Protestantismus gleichzuschalten, scheiterten am Widerstand einer Minderheit. Die Barmer Theologische Erklärung sprach im Juni 1934 den Gegensatz zwischen christlichem Glauben und NS-Ideologie offen aus. Die auf dieses Glaubensbekenntnis gegründete Bekennende Kirche (BK) wurde daraufhin immer stärker behindert. Die Pfarrerausbildung der BK, ihr Schriftverkehr, ihre Hilfsaktivitäten für Juden (Büro Grüber) wurden nach und nach verboten. Viele ihrer Pastoren verloren ihre Stellen; manche, die öffentlich gegen judenfeindliche Maßnahmen protestiert hatten, wurden verhaftet und in Konzentrationslager eingeliefert. Einige Hundert wurden dort ermordet oder starben an Haftfolgen.

Fast alle staatlichen Maßnahmen zur Verdrängung und Vertreibung der Juden stießen jedoch auch bei den BK-Kirchenführern anfangs auf Zustimmung. Sie kritisierten weder den Judenboykott 1933 noch die Nürnberger Rassengesetze 1935 noch die Novemberpogrome 1938, sondern erkannten in lutherischer Tradition die nationalsozialistische „Obrigkeit“ als Gottes Anordnung an und widersprachen nur ihren direkten Übergriffen auf kirchliche Ordnung und Lehre. Nur wenige BK-Mitglieder wie Paul Schneider oder Dietrich Bonhoeffer leiteten aus ihrem Glauben die Pflicht zur unbedingten Solidarität mit den Juden und zum direkten Widerstand gegen den Nationalsozialismus insgesamt ab, wofür sie ermordet wurden.

Zum Kriegsbeginn 1939 rief die BK zusammen mit den DC alle Christen zu Opferbereitschaft und Hingabe für ihr Vaterland auf. Ihre Pastoren wurden zum Kriegsdienst eingezogen; ein Teil davon wurde in der Seelsorge der Wehrmacht eingesetzt. Die Landeskirchen hatten bis dahin infolge des Arierparagraphen die wenigen getauften Juden aus kirchlichen Ämtern entlassen.

Eine vom NS-Regime kollektiv verfolgte christliche Minderheit waren die Zeugen Jehovas. Aufgrund ihres Biblizismus verweigerten viele von ihnen den Hitlergruß und entschieden sich nach Wiedereinführung der Wehrpflicht für die Kriegsdienstverweigerung. Daraufhin wurden sie interniert; etwa 1200 wurden in deutschen Konzentrationslagern ermordet (siehe dazu Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus).

Im Kriegsverlauf verschärfte der Staat antikirchliche Maßnahmen: Feiertage wurden eingeschränkt, Taufen, Konfirmation, Trauungen, Beerdigungen durch Parteifeiern ersetzt, das Kirchenrecht im Warthegau auf ein Vereinsrecht umgestellt, kirchliche Finanzen zentral kontrolliert. Auch Christen in von Deutschland besetzten Gebieten wurden verfolgt: Allein im Konzentrationslager Dachau im dortigen Priesterblock waren über 2800 Geistliche, davon fast 2600 katholische Priester aus Polen, Deutschland, den Niederlanden und anderen Ländern, inhaftiert, von denen nur etwa die Hälfte überlebte.[33] In den Konzentrationslagern starben knapp 2000 polnische Geistliche, von denen 548 standrechtlich erschossen wurden. Insgesamt wurden in der Zeit der deutschen Besetzung Polens 16 % der katholischen Priester ermordet.[34] Zahlreiche Ordensbrüder und Ordensschwestern wurden hingerichtet oder kamen in Konzentrationslagern um.

Eine gezielte Vernichtung des Christentums plante das NS-Regime offiziell nicht, wahrscheinlich aber eine reichsweite Auflösung kirchlicher Strukturen und allmähliche Ersetzung durch eine germanisch-nordische Volksreligion für die Zeit nach dem Krieg. Darauf deuten Aussagen von Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich, deren SS-Angehörige meist zur Gruppe der „Gottgläubigen“ gehörten, und das Vorgehen im Warthegau. Hitler selbst hielt zwar nach außen hin zu Alfred Rosenberg und dem antichristlichen Parteiflügel Distanz und stellte sich als über den Konfessionen stehend dar; privat äußerte er seit Kriegsbeginn jedoch öfter seine Abneigung gegen den „jüdischen Geist“ des Christentums, dessen „Entjudung“ dringend notwendig sei.

Der Holocaust galt dem gesamten Judentum als Volk wie als Religion; heute wird dieser Ausrottungsversuch teilweise indirekt auch auf den christlichen Glauben bezogen, der das Judentum als Wurzel und als „ältere Brüder“ ansieht. So sagte der überlebende Auschwitzhäftling Elie Wiesel:[35]

„Der nachdenkliche Christ weiß, dass in Auschwitz nicht das jüdische Volk, sondern das Christentum gestorben ist.“

China

Bereits 1900 während des Boxeraufstands gegen die europäischen Kolonialmächte kam es im damals noch kaiserlichen China zu einem Massaker an Christen. Deren Niederlassungen wurden zerstört und vor allem ausländische Missionare mitsamt ihren Familien ermordet oder hingerichtet. Das Christentum galt als Religion der Europäer, deren Kultur sich die chinesische Jugend seit 1919 geöffnet hatte. Im Verlauf der nationalen Revolution (1925–1927) der Kuomintang unter Führung Chiang Kai-sheks wurden jedoch erneut zahlreiche in- wie ausländische Christen ermordet.

Unter Mao Zedong siegte in China 1949 eine Spielart des Kommunismus, der sich ähnlich wie der Stalinismus auf Bauern, Militärmacht und Zwangsindustrialisierung stützte. Der Atheismus wurde Teil der Staatsdoktrin: Alle Religionen, besonders die westlichen, wurden unterdrückt. Im Koreakrieg unterstützte Mao das Vorgehen Nordkoreas auch gegen die Christen. In der von seinen Roten Garden getragenen Kulturrevolution kam es seit 1966 zu Zerstörungsfeldzügen gegen Moscheen, Kirchen und Kulturgüter aus der Kaiserzeit. In deren Verlauf wurden Pogrome an vermeintlichen oder echten Systemgegnern verübt, zu denen die Christen gerechnet wurden.