Lyrik

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Apollon mit einer Leier

Als Lyrik ({{#invoke:Vorlage:lang|full |CODE=grc |SCRIPTING=Grek |SERVICE=altgriechisch |SUITABLE=variant prefix}}) bezeichnet man eine der drei literarischen Hauptgattungen neben Epik und Dramatik. Lyrische Texte werden Gedichte genannt.

Begriffsgeschichte

Alkaios und Sappho. Seite A eines Attisch-rotfigurigen Kalathos, um 470 v. Chr. Aus Akragas (Sizilien).

Lyrik

Die Unterscheidung der literarischen Gattungen Lyrik, Epik und Dramatik geht auf die griechische Antike zurück, insbesondere auf die Poetik des Aristoteles. Der Ordnungsbegriff Lyrik (in der Form lyrische Poesie) wird seit der Neuordnung des Gattungsschemas im 18. Jahrhundert als Gattungsbezeichnung verwendet; im allgemeinen Sprachgebrauch wird er seit dem 19. Jahrhundert oft synonym mit den umfassenderen Begriffen Poesie und Dichtung gebraucht. Der Begriff Lyrik verweist auf seinen historischen Ursprung im antiken Griechenland; dort wurde der Vortrag von Dichtung in der Regel von einer Lyra oder Kithara begleitet. Davon geblieben ist eine formale Verbindung lyrischer Texte zum Lied, die sich auch darin zeigt, dass Gedichte bis heute gern vertont werden.

Gedicht

Mit dem Begriff „Gedicht“ wurde ursprünglich alles schriftlich Abgefasste bezeichnet; in dem Wort „Dichtung“ hat sich noch etwas von dieser Bedeutung erhalten. Seit etwa dem 17. Jahrhundert wird der Begriff im heutigen Sinn nur noch für poetische Texte verwendet, die zur Gattung der Lyrik gehören. Erstmals wurde der etymologisch verwandte Begriff „geticht(e)“ von Martin Opitz in dessen 1624 veröffentlichten Buch von der Deutschen Poeterey als Texte, die durch eine Versdichtung gekennzeichnet sind, verwendet.[1] Heute versteht man unter einem Gedicht einen einzelnen lyrischen Text.

Ein umfangreiches (oft auch mehrteiliges) lyrisches Werk mit unter Umständen auch epischen Elementen wird als Langgedicht bezeichnet, ein zyklisch angelegtes als Gedichtzyklus und eines, das Prosaabschnitte und Gedichte kombiniert, als Prosimetrum. Eine historische Sonderform des Langgedichts ist das Poem.

Funktionale Bestimmung

Lyrische Texte unterscheiden sich von epischen und dramatischen vor allem durch ihr meist geringes Textvolumen, ihre komprimierte und konturierte Textgestalt, ihre sprachliche Form, ihre semantische Dichte (Ausdruckskraft) und sprachliche Ökonomie (Prägnanz) und eine subjektive Auffassung ihrer Gegenstände. Sie vermitteln Emotionen, Wahrnehmungen und/oder Gedanken eines individuellen Subjekts, dessen Perspektive der des Verfassers entsprechen kann, aber nicht muss (siehe auch lyrisches Ich). Beziehungen zwischen diesem Subjekt, der es umgebenden Welt und dem (sprachlichen) Medium, in dem es sich artikuliert, werden dabei oft in hohem Maße reflektiert und abstrahiert.

Kriterien der sprachlichen Form

Lyrische Texte sind textgrafisch und/oder phonisch meist stark konturiert. In der Regel unterscheiden sie sich von Prosatexten bereits in ihrer äußeren Form (siehe Vers, Strophe). Im Lauf der Gattungsgeschichte verschieben sich die Kriterien vor allem bezüglich des Verses und schwächen sich bereits im 19. Jahrhundert zunehmend ab. So finden sich zuerst in der Lyrik von Friedrich Gottlieb Klopstock und später auch bei Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Hölderlin reimlose Gedichte in freien Rhythmen, eine Form Versgestaltung, die sich in der Lyrik von Novalis endgültig von ihren antiken Vorbildern ablöst. Im 19. Jahrhundert werden diese Formen in Frankreich zum vers libre weiterentwickelt. Mit dem weitgehenden Verzicht auf seine metrische Organisation und der Orientierung an der lebendigen Rede nähert sich der freie Vers rhythmisch und [prosodisch|Prosodie] Prosadiktionen an, ohne jedoch ganz mit ihnen zusammenzufallen. Zentrales Distinktionsmerkmal und Formelement lyrischer Texte bleibt letztlich der Vers selbst, der sich aus dem absichtsvollen, sinnstiftenden Umbruch der Zeile (siehe Enjambement) ergibt – im Unterschied zu den technisch bedingten Zeilenumbrüchen in Prosatexten, die keiner textimmanenten Logik folgen und für die Konstitution der Textbedeutung irrelevant sind.

Eine besondere Rolle bei der phonischen Gestaltung von Gedichten spielen die lautlichen Qualitäten des verwendeten Sprachmaterials, von einfachen Assonanzen bis hin zu Formen der Onomatopoesie. Im 20. Jahrhundert entwickelten sich zahlreiche Formen der Lautpoesie, die diesen Aspekt in den Mittelpunkt stellen. Bei einzelnen Autoren der antiken und mittelalterlichen Lyrik, vor allem jedoch in der Lyrik des Barock und später in literarischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts, etwa der konkreten Poesie, wird umgekehrt die grafische Gestalt des Textes zu einem eigenständigen und teilweise dominanten Formelement erhoben (siehe auch Visuelle Poesie). Darüber hinaus sind Gedichte sprachlich häufig komplex strukturiert. Zahlreiche formale und rhetorische Darstellungsmittel (siehe beispielsweise Reim, rhetorische Figur, Metapher) führen nicht selten zu einer vom Gewohnten abweichenden Anordnung von Wörtern, Wortgruppen und Sätzen und sind auch für die vielschichtigen Bedeutungen verantwortlich, die man mit Lyrik verbindet.

Aus der Sicht eher linguistisch orientierter Lyriktheorien wird ein lyrischer Text als überstrukturierter Text aufgefasst. Diese Überstrukturierung bezieht sich auf die in der Sprachwissenschaft angesetzten Ebenen jeder sprachlichen Äußerung wie Phonologie, Semantik oder Syntax. So werden Reime als phonologische Überstrukturierung aufgefasst, Metaphern als semantische usw.[2]

Formelemente und Gedichtformen

Zahlreiche lyrikspezifische Elemente sprachlicher Gestaltung sind historisch tradiert, kommen aber bis heute in vielen Gedichten zum Einsatz. Auf unterschiedenen Ebenen der Textorganisation unterscheidet man Versfuß (Anapäst, Daktylus, Jambus, Trochäus u. a.), Versmaß (Alexandriner, Blankvers, Hexameter, Pentameter u. a.), Strophenform (Odenstrophen wie Alkäische Strophe, Asklepiadeische Strophe und Sapphische Strophe, Chevy-Chase-Strophe, Distichon, Sestine, Stanze (mit Sonderformen wie Siziliane, Nonarime, Huitain, Spenserstrophe), Terzine u. a.) und – formal verschieden streng definierte – Gedichtformen (Elegie, Epigramm, Ghasel, Haiku und Senryū, Hymne, Lied, Ode, Ritornell, Sonett, Villanelle u. a.). Hinzu kommen Gedichtformen, die auf einer bestimmten Organisation des Textes auf Zeichenebene beruhen, etwa Anagramm, Lipogramm, Palindrom und Akrostichon. Historische, heute nur noch selten verwendete Gedichtformen sind u. a. Dithyrambos, Kanzone, Madrigal und Rondeau. Gedichte, die sich diesen und ähnlichen Bestimmungen entziehen, haben nicht selten eine explizit freie Form.

Gedichtformen können auch oder auch noch auf anderen Ebenen als der formalen Textorganisation definiert sein, etwa das Bildreihengedicht in Bezug auf die Art und Verbindung der semantischen Einheiten, Rollenlyrik in Bezug auf die Perspektivierung und Prosagedichte in Bezug auf die Abwesenheit von Vers und Zäsur. Der Fokus auf materiale Eigenschaften der Sprache führt in der Lyrik zu Bildgedichten und Lautgedichten, die Aktivierung struktureller Aspekte schriftsprachlicher Repräsentation zu Flächengedichten und Listengedichten, die Einbeziehung von Informationstechnologien in die Textgenese zu Flarf. Transdialektale und -linguale Sprachmischung finden sich bereits in der frühneuzeitlichen Makkaronischen Dichtung.

Über das einzelne Gedicht hinaus geht etwa die 14 Sonette und ein „Meistersonett“ umfassende Form des Sonettenkranzes, über den einzelnen Autor z. B. das japanische Renga (Kettengedicht), über den einzelnen Sprecher beziehungsweise Vortragenden das Simultangedicht.

Genres und Subgenres

Funktional bestimmte Genres von Lyrik sind u. a. Kinderlyrik, religiöse Dichtung, Gelegenheitsdichtung und die sog. Unsinnspoesie, deren zahlreiche Spielarten ihrerseits (streng) formal definiert sind (z. B. Clerihew, Klapphornvers, Leberreim, Limerick, Wirtinnenvers). Thematisch bestimmte Genres sind Liebeslyrik, Naturlyrik und politische Lyrik; im Sprachbezug der sprachreflexiven Lyrik fallen thematische und formale Bestimmung zusammen.

Historische Strömungen sind z. B. die deutsche naturmagische Lyrik oder die US-amerikanischen Confessional Poetry. Historische Strömungen sind in der Regel funktional, thematisch und formal bestimmt und lassen sich daher auch als lyrische Genres auffassen – u. a. Trobadordichtung, Minnesang, Sangspruchdichtung, Bukolik bzw. Schäferdichtung und Meistersang.

Genreübergreifende Formen gebundener Rede sind beispielsweise Ballade, Romanze und Haibun. Performativ bestimmt ist etwa Spoken Word. Auch Liedtexte aller Genres sowie Hip-Hop und Rap haben Gemeinsamkeiten mit lyrischen Texten.

Geschichte der Lyrik