Intelligenz

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Intelligenz (von {{#invoke:Vorlage:lang|full|CODE=la |SCRIPTING=Latn |SERVICE=lateinisch}} „erkennen“, „einsehen“; „verstehen“; wörtlich „wählen zwischen …“ von lateinisch inter „zwischen“ und legere „lesen, wählen“) ist die kognitive bzw. geistige Leistungsfähigkeit speziell im Problemlösen. Der Begriff umfasst die Gesamtheit unterschiedlich ausgeprägter kognitiver Fähigkeiten zur Lösung eines logischen, sprachlichen, mathematischen oder sinnorientierten Problems. Da einzelne kognitive Fähigkeiten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und keine Einigkeit darüber besteht, wie diese zu bestimmen und zu unterscheiden sind, gibt es neben der bereits erwähnten Definition keine weiterführende, allgemeingültige Definition der Intelligenz. Vielmehr schlagen die verschiedenen Intelligenztheorien unterschiedliche Operationalisierungen des alltagssprachlichen Begriffs vor.

Mit Intelligenz und Intelligenztests befassen sich speziell die Allgemeine Psychologie, die Differentielle Psychologie und die Neuropsychologie. Die Erforschung der Intelligenz auf dem Gebiet der Allgemeinen Psychologie unter dem Aspekt der problemlösenden Informationsverarbeitung bezeichnet man heute oft als Kognitive Psychologie. Diese wiederum greift auf Methoden und Erkenntnisse der Hirnforschung, der Entwicklungspsychologie und zunehmend auch der Programmierung von künstlicher Intelligenz zurück, wobei diese von der hier beschriebenen Intelligenz zu unterscheiden ist.

Generalfaktor der Intelligenz nach Spearman

Der von Charles Spearman eingeführte g-Faktor der Intelligenz (g-Faktor) ist eines der am weitesten verbreiteten Maße für die allgemeine Intelligenz. Er ist eines der reliabelsten und validesten Konstrukte der Psychologie.

Rezeption

Laut Robert Plomin sagt er schulischen Erfolg und Prestige des später erreichten Berufs besser vorher als jede andere erfassbare Eigenschaft.[1] Seine Voraussagekraft auf Variablen wie Berufsprestige und Einkommen eines Individuums wird verringert, wenn man eine mit ihm korrelierte Variable den sozioökonomischen Status des Elternhauses einbezieht. Auch in diesem Fall leistet er einen eigenständigen Beitrag zur Varianzaufklärung.[2]

Unumstritten ist, dass Menschen ihren Verwandten bezüglich des g-Faktors ähnlicher sind als zufällig ausgewählten Personen. Unklar ist hingegen, inwiefern biologische oder soziale Faktoren die Ursache für diese Ähnlichkeit sind. Diese Frage zählt zu den am umfangreichsten diskutierten Fragen in der Psychologie.[3] Während heute weitestgehend Einigkeit darüber herrscht, dass unter normalen Bedingungen beide Faktoren eine Rolle spielen,[4][5] herrscht eine erhebliche Uneinigkeit darüber, wie stark der Einfluss welches Faktors ist. Dieser Konflikt wird im Englischen als „Nature versus Nurture“ (engl. „nature“ für Natur im Sinne des genetischen Anteils und engl. „nurture“ für Erziehung im Sinne der sozialen Faktoren) bezeichnet.

Die Vertreter, die davon ausgehen, dass der g-Faktor stark durch erbliche Faktoren beeinflusst wird, werden als Hereditarians bezeichnet. Dagegen werden als Environmentalists diejenigen bezeichnet, die die These vertreten, dass der g-Faktor stark durch Umwelteinflüsse bedingt ist. Es gibt heute eine Fülle von Studien zur Erblichkeit des g-Faktors,[6] die jedoch von den verschiedenen Lagern unterschiedlich interpretiert werden. Die Interpretation wird dadurch erschwert, dass die Erblichkeit des g-Faktors sich nicht unter allen Bedingungen gleich gestaltet.

Die Debatte um die Erblichkeit der Intelligenz ist nicht frei von Skandalen geblieben. Als umstritten gelten dabei zum Beispiel Cyril Burt, der eine Erblichkeit der Intelligenz von 70 bis 80 % annahm,[7] und Rick Heber, der aufgrund eines Experimentes, an dessen Existenz Zweifel aufgekommen sind, annahm, dass der Intelligenzquotient sich durch entsprechende Programme um circa 35 Punkte steigern lasse.[8] Cyril Burt wurde von Leon J. Kamin verdächtigt, Daten gefälscht zu haben. Es ist heute unbestritten, dass auf Burts Daten zur Zwillingsforschung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zurückgegriffen werden kann. Ob es sich um eine Fälschung oder nachlässige Forschung handelt, wird unter Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. Burts Schüler Hans Jürgen Eysenck empfand, dass Burt nachlässig war, aber nicht gefälscht hat. Er sah nicht alle Arbeiten Burts als unbrauchbar an, sondern nur die zur Zwillingsforschung, und griff auf andere zurück.[7] Obwohl diese Forscher heute als äußerst umstritten gelten, werden sie noch immer (Stand 2009) von anderen Wissenschaftlern aus den entsprechenden Lagern z. T. unkritisch zitiert.[9]

Differentielle Psychologie und psychologische Diagnostik

Die differentielle und Persönlichkeitspsychologie ist Quelle eines Großteils der Forschung zum Konstrukt Intelligenz. In dieser Disziplin wird Intelligenz als Teilbereich der Persönlichkeit im weiteren Sinne gesehen. Dabei bemüht man sich darum, die unscharfen Begrifflichkeiten zu vermeiden, die im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet werden (Denkvermögen, Auffassungsgabe, Rationalität, Logik, Urteilsvermögen), um die geistigen Fähigkeiten des Menschen zu kennzeichnen, Intelligenz messbar zu machen und von anderen Konstrukten der psychologischen Forschung wie z. B. Kreativität abzugrenzen (vgl. diskriminante Validität, Testgütekriterien).

Aus der Grundlagendisziplin der differentiellen Psychologie geht die Intelligenzdiagnostik bzw. die Psychometrie als Anwendungsgebiet hervor. Hier bemüht man sich darum, quantitative Unterschiede der Intelligenz zwischen Menschen festzustellen. Als Fachbegriff der Psychometrie wurde „intelligence – Intelligenz“ in der Zeit um 1900 geprägt, wobei der inhaltliche Impuls aus dem französischen (Alfred Binet) und englischen Sprachraum kam (Louis Leon Thurstone, Charles Spearman). Einige Intelligenztests sind adaptiv und passen sich in der Schwierigkeit dem Vermögen des Probanden an (sog. adaptives Testen).

Intelligenztest

Ein Intelligenztest dient dazu, die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen zu erfassen. Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Tests für unterschiedliche Zielgruppen und Anwendungsfälle. Ergebnis eines solchen Tests ist häufig der sogenannte Intelligenzquotient (IQ).

Intelligenztests liegt die Annahme zugrunde, dass der Intelligenzquotient der Bevölkerung normalverteilt ist. Damit beschreibt der IQ die Abweichung vom Mittelwert 100, eine Standardabweichung beträgt 15 IQ-Punkte.

Der Validitätsnachweis von Intelligenzmessungen ist eine Voraussetzung, solche Ergebnisse in der psychodiagnostischen Praxis zu verwenden.

Intelligenzquotient

1904 wurde eine Gesellschaft für Kinderpsychologie, die Société Libre pour l’Etude Psychologique de l’Enfant, von der französischen Regierung damit beauftragt, einen Test zu erstellen, mit dem man geistig behinderte Kinder, die vom normalen Schulunterricht nicht mehr profitieren, identifizieren könnte. Alfred Binet und Théodore Simon entwickelten daraufhin den ersten IQ-Test.[10] Der IQ wurde dabei als Quotient von Intelligenzalter und Lebensalter definiert.

Später wurde von anderen Forschern (David Wechsler) ein neues Intelligenzkonzept eingeführt, bei dem die Leistung des Einzelnen auf den Mittelwert der entsprechenden Altersklasse bezogen wird.

Modelle

Der Verfasser des ersten Intelligenztests, Alfred Binet, sah Intelligenz als ein Bündel zahlreicher Einzelfähigkeiten, auch wenn sein Test zu zeigen schien, dass Intelligenz etwas Einheitliches, Ganzes sei. Ein genaueres Strukturmodell erstellte er jedoch nicht.

Im Laufe der Zeit entstanden verschiedene Erklärungsmodelle, die vor allem auf die Faktorenanalyse zurückgreifen.

Intelligenz als Persönlichkeitseigenschaft

Intelligenz korreliert mit einer Reihe anderer Variablen. So sind intelligente Menschen oft schulisch erfolgreicher als weniger intelligente Menschen[11] und besetzen im Durchschnitt höhere Berufspositionen (dies gilt insbesondere für Männer, deren IQ-Wert um 0,7 mit dem Berufsprestige korreliert, bei Frauen ist die Korrelation u. a. wegen Kindererziehung geringer).[12] Unter Studenten und unter Auszubildenden erbringen die intelligenteren bessere Leistungen als die weniger intelligenten.[13] Überdurchschnittlich begabte Menschen leben in der Regel gesünder und haben eine höhere Lebenserwartung.[14]

Es konnte gezeigt werden, dass zumindest in den USA die soziale Herkunft einen viel stärkeren Einfluss auf den Verdienst hat als die Intelligenz.[13]

Intelligenz korreliert jedoch auch mit Krankheiten. So sind intelligente Menschen etwa häufiger kurzsichtig.[15][16][17] Auch mit bestimmten Erbkrankheiten besteht ein Zusammenhang.

Für psychische Störungen wie Schizophrenie konnte gezeigt werden, dass sowohl besonders intelligente als auch besonders wenig intelligente Personen verstärkt darunter leiden – durchschnittlich intelligente jedoch weit seltener.[18][19][20]

Biologische Korrelate

Es ist statistisch nachweisbar, dass Intelligenz und Hirnvolumen positiv zusammenhängen.[21][22]

Kritik am Intelligenzbegriff

Intelligenz wird häufig als statistisches Konstrukt kritisiert. Es gibt einen starken Zusammenhang zwischen IQ und Sozialschicht. Mitglieder der unteren Sozialschichten und deren Kinder erreichen auf standardisierten Intelligenztests einen niedrigeren IQ als Leute aus den oberen Sozialschichten und deren Kinder.[23] Es wird diskutiert, ob dies daran liegt, dass traditionelle Intelligenztests gegenüber Arbeitern und deren Kindern unfair sind,[24] IQ-Tests wurden deswegen als klassistisch kritisiert.[25] Zudem scheint es eine operational von Intelligenz unterscheidbare Fähigkeit zu geben, aus der Formulierung des Tests die richtige Antwort zu erraten (engl. test-wiseness)[26][27] Dies gilt insbesondere für Auswahlfragebogen. Auch ist es möglich, dass die Vertrautheit mit der Form von Fragebogentests oder mit klassischen Intelligenztestaufgaben sowohl die test-wiseness trainiert als auch die konkret abgefragten kognitiven Fähigkeiten oder die bloße Antwortgeschwindigkeit.

Regression zur Mitte

Bereits Francis Galton stellte als Erster fest, dass die Intelligenzwerte von Kindern gegenüber ihren Eltern eine „Regression zur Mitte(regression to the mean) aufweisen, das bedeutet, sie nähern sich dem Durchschnittswert an. Kinder von Hochbegabten und Höchstbegabten sind im Durchschnitt nicht ganz so intelligent wie ihre Eltern, sondern ihre Intelligenz ist etwas geringer (wenn auch noch immer überdurchschnittlich). Im Gegensatz dazu sind Kinder von unterdurchschnittlich intelligenten Menschen im Durchschnitt etwas intelligenter als die Eltern (wenn auch noch immer unterdurchschnittlich).

Hereditätsdebatte

In der Psychologie besteht heute breiter Konsens, dass sowohl Vererbung als auch Umwelteinflüsse bei der Intelligenzentwicklung eine Rolle spielen.[28][29][30]

Zahlreiche Studien unterstützen Schätzungen, dass 30 bis 80 % der Gesamtvarianz (Gesamtstreuung) in der allgemeinen Intelligenz durch genetische Faktoren erklärt werden kann. Die Heritabilität von Intelligenz, also der Anteil, der auf genetischen Einflüssen beruht, nimmt mit steigendem Alter zu, von etwa 30 % in der frühen Kindheit auf 70 bis 80 % im Erwachsenenalter.[31] Diese Zunahme der Heritabilität von Intelligenz mit dem Alter könnte darauf zurückzuführen sein, dass Erwachsene stärker als Kinder dazu tendieren, ihre Umwelt entsprechend ihrem Genotyp auszuwählen und zu formen, sodass genetische Unterschiede verstärkt werden.[32][33] James R. Flynn erklärt ihn mit Interaktionen: ursprünglich relativ kleine ererbte Unterschiede führen zu unterschiedlichen Erfahrungen, die diese Unterschiede verstärken.[34] Für den Befund wurde sogar ein eigener Name vorgeschlagen: Wilson-Effekt (benannt nach dem Verhaltensgenetiker Ronald S. Wilson (1933–1986)).[35][36] Der Effekt ist in jungen Erwachsenjahren am ausgeprägtesten, lässt sich aber bis ins hohe Alter nachweisen.[37]

Zahlreiche Forscher vertreten die Ansicht, dass Intelligenz in jedem Fall einen erblichen Anteil habe, da „die heute als klassisch anzusehende Metaanalyse von Bouchard und McGue (1981) die empirische Suche nach der Antwort auf die Frage, ob allgemeine Intelligenz erblich ist, mit einem eindeutigen ‚ja‘“ beantwortet habe.[38]

Andere Autoren weisen außerdem darauf hin, dass die relevanten Umwelteinflüsse meist nicht näher identifiziert werden können und dass es sich dabei um nicht familiär geteilte Umweltaspekte handelt, also um solche, die beispielsweise auf gemeinsam aufwachsende Geschwister in unterschiedlicher Weise wirken.[39]

„Die verschiedenen Ansätze zur Untersuchung der Erblichkeit der Intelligenz erbringen keine vollständig konsistenten Befunde. Die höchsten Erblichkeitsschätzungen von etwa h(2) = 70 % resultierten aus Studien an getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen, während sowohl der Vergleich eineiiger mit zweieiigen Zwillingen als auch Adoptionsstudien Erblichkeitsschätzungen erbringen, welche eher bei h(2) = 50 % liegen, mitunter auch darunter. Ganz zweifellos jedoch konvergieren die Befunde dahingehend, dass individuelle Unterschiede im IQ zu einem erheblichen Teil genetisch bedingt sind. Weiterhin konvergieren die Befunde dahingehend, dass die unterschiedliche Qualität der Familienumwelt zu individuellen Unterschieden in der Intelligenz beiträgt. Die Schätzungen für c(2) schwanken dabei zwischen 20 % und 40 %.“

Peter Borkenau: Anlage und Umwelt[40]
Hinweis zum Zitat: Der Ausdruck h(2) ist das genetische Symbol der Heritabilität, c(2) steht für die sozialen Faktoren und Einflüsse.

Richard Lewontin argumentiert, dass die Meinung, Intelligenz sei zum Großteil erblich und Umwelteinflüsse seien nicht innerhalb der Familie zu suchen, durch falsche Interpretation von Adoptionsstudien zustande gekommen sei. Bei richtiger Interpretation der Studien sei es offensichtlich, dass die von Geschwistern geteilte familiäre Umwelt eine große Rolle spiele.[41]

Lewontin erklärt diese These mit einem Gleichnis:

„Man stelle sich vor, man habe einen Sack voll Weizenkörner. Man teile diesen Sack rein zufällig in zwei Hälften. Die eine Hälfte säe man auf einem fruchtbaren Boden, den man gut wässert und düngt. Die andere Hälfte werfe man auf einen kargen Acker.
Wenn man nun das erste Feld betrachtet, wird einem auffallen, dass die Weizenähren verschieden groß sind. Man wird dies auf die Gene zurückführen können, denn die Umwelt war für alle Ähren gleich.
Wenn man das zweite Feld betrachtet, wird man die Variation innerhalb des Feldes auch auf die Gene zurückführen können.
Doch es wird auch auffällig sein, dass es große Unterschiede zwischen dem ersten Feld und dem zweiten Feld gibt. Auf dem ersten Feld sind die Unterschiede zu 100 % genetisch, auf dem zweiten Feld sind die Unterschiede zu 100 % genetisch, doch das heißt nicht, dass die Unterschiede von Feld 1 und Feld 2 auch genetisch sind.“

Ebenso sieht Lewontin es mit dem sozialen Umfeld: Die IQ-Unterschiede innerhalb einer Schicht können zu einem gewissen Prozentsatz genetisch sein, doch dies würde nicht zur Folge haben, dass die Unterschiede zwischen zwei Schichten ebenfalls genetisch sein müssten. Als Beweis nennt er Adoptionsstudien, zum Beispiel die von Skodak und Skeels oder die Minnesota Transracial Adoption Study.

Als Analogie nennt er auch die Körpergröße, von der bekannt ist, dass sie zum Großteil genetisch bedingt ist. Diese Ursache kann jedoch nur innerhalb einer Schicht als ausreichend angesehen werden, zwischen verschiedenen sozialen Schichten entsteht trotzdem ein Unterschied, der heute mit drei bis vier Zentimetern angegeben wird. Mit zunehmend wirtschaftlichem Wohlstand steigt auch die Körpergröße ganzer Nationen.[41]

Borkenau kritisiert, dass Lewontins Einschätzung unzutreffend und pauschalisierend sei:

„[Es ist] nicht angemessen, je nach Belieben die Studie, welche die geringste oder höchste Erblichkeitsschätzung impliziert, herauszupicken, und diese Studie als die eigentlich aussagekräftige zu werten. In dieser Weise geh[t] […] Lewontin […] vor.“

Peter Borkenau: Anlage und Umwelt[40]

Ferner wiesen Rainer Riemann und Frank Spinath darauf hin, dass sich der Erblichkeitsanteil bei Kindern und Erwachsenen anders darstellt, als Lewontin anführt:

„Offenbar wirken sich die von Familienmitgliedern geteilten Umweltbedingungen nur solange auf die Intelligenz aus, bis die Personen die Familie verlassen. […] Während Effekte der geteilten Umwelt ein Viertel der Variation bezüglich Intelligenz in der Kindheit erklären, sind diese im Erwachsenenalter nicht mehr nachzuweisen. Einflüsse der spezifischen Umwelt nehmen jedoch zu.“

Riemann & Spinath: Genetik und Persönlichkeit[42]

Intelligenzentwicklung

Risikofaktoren in der Kindheit

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Risikofaktoren
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Sogenannte Risikofaktoren, wie etwa Drogenkonsum der Eltern, Armut oder eine schlechte psychische Verfassung der erziehenden Personen, können einen erheblichen negativen Einfluss auf die Intelligenzentwicklung ausüben. In einer Studie wurde festgestellt, dass erst durch das gleichzeitige Auftreten mehrerer Risikofaktoren die kindliche Entwicklung stark beeinträchtigt wird.

Die quantitativen Ergebnisse dieser Studie sind in der Tabelle dargestellt.

Zu diesem Ergebnis kam auch eine andere Längsschnittstudie. Ein oder zwei Risikofaktoren hatten nur eine sehr geringe Auswirkung auf die kognitive Entwicklung, kamen jedoch weitere hinzu, so zeigten sich starke Auswirkungen. Kinder, die von acht bis neun Risikofaktoren betroffen waren, hatten gar einen im Schnitt um 30 Punkte geringeren IQ als unbelastete Kinder.[43]

Adoptionsstudien

Studien zu Adoptivkindern ermöglichen es, zu untersuchen, welchen Einfluss das soziale Umfeld auf die Intelligenzentwicklung eines Kindes hat. Da die adoptierten Kinder mit ihren Eltern und Geschwistern nicht verwandt sind, müsste bei einer rein vererbten Intelligenz ihr IQ von dem der adoptierenden Familie unabhängig sein. Sollte jedoch nur das sozioökonomische Umfeld die Intelligenzentwicklung beeinflussen, so dürfte kein signifikanter Unterschied im IQ zwischen Adoptivkind und seinen Adoptiveltern oder -geschwistern bestehen.

Die 1975 begonnene Minnesota Transracial Adoption Study war eine methodisch aufwändige, groß angelegte und detailliert dokumentierte Studie zur Adoption von Kindern aus Familien der Unter- und Arbeiterschicht, die von Familien der oberen Mittelschicht adoptiert wurden. Am Anfang der Studie wurden sowohl die Adoptionseltern als auch deren leibliche Kinder getestet, als die Adoptivkinder 7 Jahre alt waren. Der IQ der leiblichen Eltern wurde nicht erfasst, nur deren Ausbildung, aufgrund derer der Durchschnitts-IQ auf etwa 85 bis 90 geschätzt wurde. 10 Jahre später wurden mit einem anderen Test alle noch lokalisierbaren Kandidaten nochmals getestet (die Ergebnisse fallen aufgrund des Tests etwas niedriger aus).

Die erste im Jahr 1975 im Alter von 7 Jahren durchgeführte Testung gelangte zu dem Ergebnis, dass der durchschnittliche IQ der weißen Adoptivkinder (IQ 112) höher lag als der IQ schwarzer Adoptivkinder (IQ 97). Ferner zeigte sich, dass der IQ der Adoptiveltern sowie ihrer leiblichen Kinder höher war als die der Adoptivkinder aller Gruppen. Der IQ der leiblichen Kinder lag 20 IQ-Punkte über dem IQ der schwarzen Adoptivkinder (mit zwei schwarzen Elternteilen).

Ergebnisse der Minnesota Transracial Adoption Study[44]
Alter der Kinder 7 (1. Test) 17 (2. Test)
IQ der Adoptiveltern 120 115
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Klassen-
perzentil
Schulleistungs-
perzentil
leibliche Kinder 104 117 109 3,0 64 69
adoptiert, zwei weiße Elternteile 16 112 106 2,8 54 59
adoptiert, ein weißer/ein schwarzer Elternteil 55 109 99 2,2 40 53
adoptiert, zwei schwarze Elternteile 21 97 89 2,1 36 42
adoptiert, asiatisch/indigen 12 100 96
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Die zweite Testung im Jahr 1985 mit 17 Jahren ergab deutlich niedrigere Testergebnisse. Während in der ersten Testung mit 7 Jahren schwarze Adoptivkinder IQ-Testergebnisse erzielten, die über dem Durchschnitt der schwarzen Bevölkerung in den USA lagen, ist ein zentrales Ergebnis der zweiten Testung mit 17 Jahren, dass sich der IQ von schwarzen Jugendlichen, die in weißen Familien aufgewachsen sind, im Schnitt nicht signifikant von dem IQ schwarzer Jugendlicher unterscheidet, die bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen sind.

Ausgehend von den Daten, die gewonnen wurden, als die Kandidaten 17 Jahre alt waren, konnte eine Korrelation mit der Ausbildung der biologischen Mutter (nicht jedoch der des biologischen Vaters) gezeigt werden (Faktor: 0,23). Weiterhin wurde ein signifikanter Zusammenhang zum Alter, mit dem das Kind zur Adoption freigegeben wurde, festgestellt: Je jünger dieses gewesen war, desto intelligenter war es später (−0,30). Während keine Verbindung zum Einkommen oder der Ausbildung der Adoptiveltern gefunden wurde, waren deren Intelligenzquotienten entscheidend (Vater: 0,20, Mutter: 0,18). Auch die „Qualität der Pflegefamilie vor der Adoption“ korrelierte (0,30).[44]

Die Interpretation der Studie ist zum Teil umstritten. Das liegt auch daran, dass die Autoren der Studie, Scarr und Weinberg, im Interpretationsteil ihres 1992 veröffentlichten Studienartikels die gemessenen Resultate – wie sie später selbst zugaben – entlang einer umweltdeterministischen Sichtweise auszulegen versuchten, und das schlechtere Abschneiden farbiger Kinder mit rassenspezifischer Diskriminierung und der Tatsache, dass viele erst in höherem Alter zur Adoption freigegeben wurden, zu erklären versuchten. Später bezeichnete Scarr dies als einen Fehler.[45]

Den großen Einfluss von Umweltfaktoren auf die Ergebnisse legt ebenfalls Eyferths Studie nahe. Bezogen auf bi-ethnische Kinder gibt es die in Deutschland durchgeführte vergleichende Studie des Psychologen Klaus Eyferth aus dem Jahre 1959, der in einer Testreihe die durchschnittliche Intelligenz von 264 „Besatzungskindern“, also Kinder einer deutschen Mutter und weißer bzw. afroamerikanischer in Deutschland stationierter Soldaten ermittelte:

Gruppe Jungen Mädchen Durchschnitt
weiß-weiß 101 93 97,2
weiß-schwarz 97 96 96,5
Differenz 4 −3

Die Untersuchung zeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied zwischen Kindern mit zwei weißen Elternteilen und Kindern mit einem schwarzen und einem weißen Elternteil gab.[46] Während häufig kritisiert wird, die schwarzen Soldaten seien keine Repräsentanten der afroamerikanischen Bevölkerung gewesen, da sie durch die Auswahlkriterien der US-Armee (bezogen auf ihre ethnische Zugehörigkeit) möglicherweise überdurchschnittlich intelligent gewesen seien, ging jedoch aus den Testergebnisprotokollen der Armee hervor, dass schwarze Soldaten im Schnitt niedrigere IQ-Werte erzielten als weiße Soldaten, was auch dem Gesamtbild der US-amerikanischen Intelligenzverteilung entspricht.[47] Flynn zog daraus 1980 nach extensiver Analyse den Schluss, dass auch Auswahlkriterien (der U.S. Army) dieses Ergebnis nicht erklären könnten und bemerkte, dass es wohl substanzielle Intelligenzunterschiede zwischen den beteiligten weißen und afroamerikanischen Vätern gegeben haben muss, diese jedoch, wider Erwarten, keinen Einfluss auf die Intelligenz der zwei Gruppen der Kinder hatten.[48]

Adoptionsstudien von Clark und Hanisee (1982) und Winick, Meyer und Harris (1975) legen den Zusammenhang zwischen der Intelligenz des Kindes und seinem sozialen Umfeld ebenfalls nahe: So konnte gezeigt werden, dass vietnamesische und koreanische Waisenkinder, welche von amerikanischen Mittelschichtsfamilien aufgezogen wurden, später einen überdurchschnittlichen IQ hatten. In den Studien lag er für ausreichend ernährte Kinder im Schnitt zwischen 112 und 120. Unterernährte Kinder hatten durchschnittlich einen IQ von etwa 102 bis 106. Waisenkinder, welche in Vietnam von Verwandten aufgezogen wurden oder in Heimen aufwuchsen, hatten dagegen einen unterdurchschnittlichen IQ.[49][50]

In einer französischen Adoptionsstudie wurde gezeigt, dass auch durch vergleichsweise späte Adoption, verbunden mit einer Verbesserung des sozialen Umfeldes, der IQ eines vor der Adoption unterdurchschnittlich intelligenten vernachlässigten/missbrauchten Kindes gesteigert werden kann. Außerdem zeigte sich, dass Kinder, die von Familien mit hohem sozioökonomischem Status adoptiert wurden, eine höhere Intelligenz entwickelten (IQ-Durchschnitt: 98) als Kinder, die von Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status aufgenommen wurden (IQ-Durchschnitt: 85).[51]

Vielzitiert ist auch die Adoptionsstudie von Harold M. Skeels und Skodak. Diese untersuchten ursprünglich 181 Adoptivkinder auf ihren IQ. Sie verfolgten deren geistige Entwicklung bis zur Adoleszenz. Zu diesem Zeitpunkt waren noch 100 Personen in der Stichprobe. Sie kamen zu folgenden Ergebnissen:

  • Adoptierte Kinder entwickeln sich – verglichen mit ihren leiblichen Müttern – sehr vorteilhaft.
  • Von Mittelschichtspaaren adoptierte Kinder haben einen IQ, der dem der leiblichen von Paaren aus dieser Schicht entspricht.
  • Der IQ der leiblichen Mutter korreliert deutlich mit dem IQ ihres Kindes. Kinder von leiblichen Müttern mit einem IQ von unter 70 erreichten in der Adoleszenz einen Durchschnitts-IQ von 104. Kinder mit leiblichen Müttern von einem IQ von 110 oder mehr erreichten in der Adoleszenz einen Durchschnitts-IQ von 129. Es ist jedoch nicht sicher, ob dies auf biologische Faktoren zurückzuführen ist, da es damals der amerikanischen Adoptionspraxis entsprach, den reichsten Adoptionsbewerbern die Kinder der intelligentesten Mütter zu vermitteln.
  • Eine wichtige Rolle für die intellektuelle Entwicklung spielen emotionale und personale Faktoren in der Adoptivfamilie.[52]

Zu dem Ergebnis, dass sowohl Gene als auch Umwelt eine Rolle spielen, kam eine Adoptionsstudie, welche von Capron und Duyme durchgeführt wurde. In den allermeisten Fällen stammen die leiblichen Eltern adoptierter Kinder aus der Armutsschicht. Nur wenig ist über die adoptierten Kinder bekannt, deren leibliche Eltern wohlhabend sind. Die Adoptiveltern hingegen entstammen meist den oberen Schichten, schon allein deshalb, weil es armen Leuten nur selten erlaubt wird, ein Kind zu adoptieren. Um diese Wissenslücke zu schließen, suchten Capron und Duyme nun gezielt Kinder mit wohlhabenden leiblichen Eltern und außerdem Kinder mit armen Adoptiveltern.

Durchschnitts-IQ nach Adoptiveltern[53]
Adoptiveltern
arm wohlhabend
leibliche
Eltern
arm 92,4 103,6
wohlhabend 107,5 119,6

Es konnte gezeigt werden, dass drei Gruppen von Kindern einen IQ über 100 erreichten:

  • Kinder, die sowohl wohlhabende leibliche als auch wohlhabende Adoptiveltern hatten,
  • Kinder, die arme leibliche Eltern und wohlhabende Adoptiveltern hatten,
  • Kinder, die wohlhabende leibliche Eltern und arme Adoptiveltern hatten.

Einen IQ von unter 100 dagegen erreichten:

  • Kinder, die sowohl arme leibliche als auch arme Adoptiveltern hatten.

Nebenstehende Tabelle zeigt die Ergebnisse im Einzelnen:

Es wird jedoch kritisiert, dass die Erblichkeit des IQ überschätzt werde, da eine Mehrheit der Adoptiveltern „weiß, volljährig, wohlhabend, gebildet und in stabiler Ehe lebend“ sind. Das bedeutet, dass es in den adoptierenden Familien nicht das volle Spektrum der Umwelteinflüsse gibt. Die Umwelt ist in diesen Familien meistens besonders förderlich für die IQ-Entwicklung, so dass man aus dem geringen Einfluss der Umwelt in diesen Studien nur schließen kann, dass es keine große Rolle spielt, ob ein Kind beim gebildeten, wohlhabenden Paar A oder beim gebildeten, wohlhabenden Paar B aufwächst.[54]

Genetische Veranlagung

Für einige Gene konnte ein Zusammenhang mit der Intelligenzentwicklung nachgewiesen werden. Der Einfluss einzelner Gene ist jedoch relativ gering. Zudem ist umstritten, ob die Befunde reproduzierbar sind.[55]

Intelligenz wird nicht durch ein einzelnes Mastergen oder nur eine kleine Gruppe von Genen bestimmt, sondern ist eine multigenetische Veranlagung. Mit Hilfe der SNP-Microarray-Technik wurden insgesamt 47 Genabschnitte identifiziert, die mit der Intelligenzentwicklung korrelierten. Jedoch trägt keine dieser Genvarianten mehr als 0,4 % zur Intelligenz bei, die sechs einflussreichsten Genvarianten zusammengenommen steuern lediglich etwas mehr als 1 % zur Ausprägung der Intelligenz eines Individuums bei. Da die Intelligenz eines Menschen eng mit dem Gehirn verknüpft ist und mindestens die Hälfte des Genoms zu dessen individuellem Aufbau beiträgt, vermuten die Forscher noch eine Vielzahl weiterer Gene.[56] Andere Wissenschaftler fanden etwas einflussreichere Genvarianten. Durch diese konnten bis zu 3 % des IQ erklärt werden.[57] Ein Mastergen konnte nicht gefunden werden.

Es konnte unter anderem für folgende Gene eine Korrelation nachgewiesen werden:

  • Eine von sechs Varianten des Gens DTNBP1, verantwortlich für die Bildung des Proteins Dysbindin-1, scheint die Intelligenz zu senken. Gleichzeitig gibt es wahrscheinlich auch einen Zusammenhang mit Schizophrenie. Der Durchschnitts-IQ von Menschen mit dieser Genvariante liegt 3 Punkte unter dem Mittelwert der gesamten Bevölkerung.[58][59][60]
  • Eine bestimmte Variante des Rezeptor-Gens für das insulinähnliche Wachstumshormon IGF-2 scheint unter hochbegabten Kindern mit 50 % etwa doppelt so häufig aufzutreten wie bei normal begabten (25 %). Allerdings lässt sich dadurch lediglich ein Unterschied im IQ von etwa 4 Punkten erklären. Einher geht diese Variante im Vergleich zu anderen mit häufigerer Kurzsichtigkeit und Auftreten von Allergien sowie großem Wuchs und schlanker Körperform.[61][62]
  • Für einige Variationen des COMT-Gens konnte ein Zusammenhang mit leicht erhöhter Intelligenz nachgewiesen werden. Gleichzeitig steht es auch in Verbindung mit Schizophrenie.[63]
  • Auch Polymorphismen im Interleukin-1β-Gen haben möglicherweise einen Einfluss auf die Intelligenz: Probanden, die den Genotyp CC aufwiesen, sind laut einer Studie intelligenter als der Rest der Bevölkerung.[64]
  • Das CHRM2-Gen ist im Moment das favorisierte Gen, wenn es um den Einfluss der Gene auf die Intelligenz und die schulischen Leistungen geht. Es konnte festgestellt werden, dass einige Variationen im CHRM2-Gen zu erhöhter Intelligenz führen. Außerdem wurde festgestellt, dass diese Variationen des Gens einen positiven Einfluss auf das erreichte Bildungsniveau haben. Der Einfluss jeder einzelnen Variation ist jedoch sehr klein.[65] Der kumulative Einfluss aller Variationen in diesem Gen zusammengenommen könnte jedoch weit größer sein.[66]
  • Gegenwärtig werden die beiden Fälle untersucht, dass eine Person alle intelligenzfördernden, und eine andere alle intelligenzmindernden Variationen im CHRM2-Gen hat. Man vermutet, dass es in diesem seltenen Fall zu beträchtlichen IQ-Unterschieden kommen würde. Vermutlich würde eine Person mit allen intelligenzfördernden Variationen eine Person mit allen intelligenzmindernden Variationen um 15 bis 20 IQ-Punkte übertreffen. Personen, die nur intelligenzfördernde Versionen oder nur intelligenzmindernde Versionen des Gens haben, sind jedoch extrem selten, und die Aussagen über diesen kleinen Personenkreis sind bis jetzt reine Spekulation.[66]

Bestimmte Formen der geistigen Behinderung sind genetisch bedingt. Dazu zählen das Down-Syndrom, das Fragiles-X-Syndrom und (wenn unbehandelt) die Folgen einer Phenylketonurie.

Einfluss der sozioökonomischen Umgebung

In allen Studien zu dem Thema konnten schichtspezifische Unterschiede in der Intelligenz Jugendlicher festgestellt werden.[67] Diese sind jedoch nicht überall gleich stark ausgeprägt: Die Unterschiede in ländlichen Gebieten sind weit geringer als die in der Stadt. Die genauen Gründe dafür sind unbekannt. Es wird vermutet, dass sich in den Städten stärker als auf dem Land Unterschichtenmilieus bilden und soziale Probleme, etwa Arbeitslosigkeit und Drogenkonsum, dazu beitragen, dass die Kinder nicht ausreichend gefördert werden.[68]

Für Deutschland gibt es keine direkten Untersuchungen. Jedoch wurde im Rahmen der PISA-Studie die „Problemlösekompetenz“ untersucht, die der Intelligenz sehr ähnlich ist. Auch hier zeigte sich, dass die Unterschiede zwischen den Schichten auf dem Lande geringer waren als in der Stadt. Es zeigten sich starke Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland. In Ostdeutschland sind sich Jugendliche aus unterschiedlichen sozialen Schichten hinsichtlich ihrer Problemlösekompetenz sehr viel ähnlicher als im Westen. Die Gründe dafür sind unklar.[69]

Soziale Schicht

Auch die soziale Schicht hat einen Einfluss auf die Intelligenz. Hier zeigt sich, dass Intelligenztests, die hohe sprachliche Anforderungen stellen, einen größeren Zusammenhang mit der Intelligenz feststellen, als Intelligenztests, die nur geringe verbale Anforderungen aufweisen. Derartige Tests werden als Culture-Fair-Tests bezeichnet.[70]

Turkheimer hat darauf hingewiesen, dass bei der Erblichkeit der Intelligenz die soziale Klasse eine große Rolle spiele. Während Intelligenz in der Mittelschicht zu einem großen Teil erblich sei, sei sie dies in der Unterschicht nicht. Zwillingsstudien seien bisher hauptsächlich in der Mittel- und Oberschicht durchgeführt worden und hätten damit zu einem Ergebnis geführt, welches die größere Bedeutung der Umwelt in unteren Schichten nicht berücksichtige. Die schlechten Umweltbedingungen in der Unterschicht führten dazu, dass die Kinder ihr genetisch vorgegebenes Potential nicht entwickeln könnten. Auf einer Skala von 0,00 bis 1,00 sei der IQ in der Mittelschicht zu 0,72 von den Genen bestimmt, in der Unterschicht jedoch nur zu 0,10, so Turkheimer.[71]

Ernährung

Hertzig, Birch, Richardson und Tizard stellten 1972 fest, dass Unterernährung in der frühen Kindheit gravierende Folgen für die Intelligenzentwicklung und das Sozialverhalten von Kindern hat. Sie untersuchten Kinder, die wegen Unterernährung in ein Krankenhaus mussten und danach in ihre Familien zurückkamen. Ihr Durchschnitts-IQ war 58.[72] Clark und Hanisee untersuchten den Lebensweg von aus Entwicklungsländern adoptierten Kindern, die unterernährt waren und traumatische Kindheitserfahrungen gemacht hatten. Die Kinder wurden von amerikanischen Familien aus der oberen Mittelschicht adoptiert. Entgegen der Annahme, dass diese Kinder unter schweren Beeinträchtigungen leiden würden, erwiesen sie sich als überdurchschnittlich intelligent und überdurchschnittlich sozial kompetent. Beim Peabody Picture Vocabulary Test, der verbale Intelligenz messen soll, erreichten sie einen IQ von 120, auf der Vineland Social Maturity Scale erreichten sie im Schnitt 137 Punkte. 100 Punkte gelten als Durchschnitt, 137 als außerordentlich gut. Clark und Hanisee kamen zu dem Ergebnis, dass unterernährte und traumatisierte Kinder sich als erstaunlich resilient erweisen, wenn sie in stabile Familienverhältnisse adoptiert werden.[49] Winick, Meyer und Harris untersuchten koreanische Adoptivkinder, die im Alter von unter drei Jahren von amerikanischen Paaren adoptiert wurden. Sie teilten die Kinder in drei Gruppen auf: eine schwer unterernährte, Grenzfälle und eine ausreichend ernährte. Die schwer unterernährte Gruppe erreichte einen IQ von 102, die Grenzfälle einen IQ von 106 und 112 die Kinder, welche nicht unterernährt waren. Winick Meyer und Harris kamen zu dem Schluss, dass Unterernährung in der frühen Kindheit einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung des IQs hat, jedoch keinesfalls zu einem Leben mit geistiger Behinderung verdammt. Wenn sie spätestens im dritten Lebensjahr adoptiert werden, so erreichen selbst schwer unterernährte Kinder einen normalen IQ. Die überdurchschnittlichen IQ-Werte der ausreichend ernährten Kinder erklären sich wahrscheinlich durch die Adoptivfamilien. Familien, welchen erlaubt wird, ein Kind zu adoptieren, haben in der Regel einen hohen sozioökonomischen Status und können den Kindern besonders gute Lebensbedingungen bieten.[50]

Seit langem ist bekannt, dass Jodmangel in der Schwangerschaft oder frühen Kindheit zur Intelligenzminderung führen kann. Eine Metaanalyse aus 10 verschiedenen klinischen Studien zeigte, dass ein chronischer Jodmangel zu einer mittleren IQ-Minderung um 13,5 Punkte führte.[73] Dass chronischer Jodmangel bei Kindern zu Intelligenzminderung führt wurde durch Studien aus allen Teilen der Welt belegt.[74][75][76] Jodmangel gilt als the world's greatest single cause of preventable brain damage and mental retardation (die weltgrößte einzelne Ursache vermeidbarer Hirnschäden und geistiger Behinderungen).[77]

Durch Vitamintabletten konnte der IQ von Grundschulkindern aus den USA gesteigert werden. Der Versuch wurde an zwei Grundschulen, deren Schüler größtenteils Hispanics waren, gemacht. Der Versuchsgruppe wurden Vitamintabletten gegeben, die Kontrollgruppe erhielt einen Placebo. Der Durchschnitts-IQ der Versuchsgruppe stieg um 2,5 Punkte.[78]

Die Ernährung während der Schwangerschaft kann einen positiven Effekt auf den IQ haben. In einer Studie waren die Kinder von Frauen, die während der Schwangerschaft Fischölkapseln erhalten hatten, intelligenter als die Kinder der Frauen, die einen Placebo erhalten hatten.[79] Mütter, die während der Schwangerschaft viel Fisch verzehrten, haben Kinder mit einem höheren IQ und einem besseren Sozialverhalten als andere Mütter. Der Effekt bleibt auch erhalten, wenn man andere Variablen (etwa Sozialschicht oder ob die Mutter gestillt hat) kontrolliert.[80] Einige Fischsorten sind jedoch durch die zunehmende Umweltverschmutzung hoch mit Quecksilber belastet. Diese sollten in der Schwangerschaft gemieden werden. Außerdem sollte in der Schwangerschaft darauf geachtet werden, dass genügend Jod konsumiert wird, da Jodmangel während der Schwangerschaft mit IQ-Einbußen beim Kind einhergehen kann. Neben einer jodreichen Grundnahrung, beispielsweise Fische, Meeresfrüchte und einige Gemüse, wird die ergänzende Zufuhr von 100 (bis 150) μg Jod pro Tag in Tablettenform empfohlen.[81]

Erziehung

Das schließt zunächst nicht aus, dass Erziehung zu diesen Umwelteinflüssen gehört, da man aus der Erziehungsstil-Forschung weiß, dass dieselben Eltern ihre einzelnen Kinder unterschiedlich erziehen. Vertreter des Erbe-Standpunktes deuten dies jedoch so, dass Eltern mehrerer Kinder unterschiedlich auf verschiedene genetisch bedingte Temperamente ihrer verschiedenen Kinder reagieren (vgl. reziproker Interaktionismus).

Wie komplex das Zusammenwirken von Erbgut und Umwelt ist, ging bereits früh aus heute als klassisch eingestuften Experimenten zur Vererbung von Lernleistungen hervor. So wurden Ratten zunächst einem sogenannten disruptiven Selektionsdruck mit dem Ziel ausgesetzt, ihre Lernleistung beim Durchqueren eines Labyrinths zu verändern.[82] Über sieben Generationen hinweg wurden – unter Aufrechterhaltung gleicher Haltungsbedingungen – zum einen jeweils nur die Nachkommen jener Mütter weiter gezüchtet, die in der Zuchtlinie der „klugen“ Ratten besonders rasch das Durchqueren des Labyrinths lernten. Zugleich wurden in einer zweiten Zuchtlinie, ausgehend von der gleichen Anfangspopulation, die Nachkommen jener Mütter weiter gezüchtet, die das Durchqueren des Labyrinths besonders langsam lernten. Schließlich konnte man statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Testtieren der beiden Zuchtlinien nachweisen: Infolge der Entfernung der jeweils ungeeigneten Testtiere aus der Zucht hatten sich demnach Veränderungen der Lernfähigkeit ergeben, die nur durch eine Veränderung im Genpool der beiden Zuchtlinien erklärbar waren; die Lernfähigkeit der Ratten hat also eine genetische Basis. Robert Rosenthal erwog hingegen eine andere Erklärung: Er argumentierte, dass es sich möglicherweise um einen sogenannten Versuchsleitereffekt gehandelt habe. In einem Experiment analysierte er das Verhalten von Forschern, die angeblich „schlaue“ und „dumme“ Ratten zu testen hatten. Das Ergebnis war, dass die rein zufällig ausgewählten Testtiere starke Unterschiede in der vom Versuchsleiter jeweils erwarteten Ausprägung ihres Verhaltens zeigten. Rosenthal führte das auf unbewusste stärkere Zuneigung zu den angeblich schlaueren Ratten zurück.[83]

Dass die Gene das Lernverhalten der Ratten aber nur unter bestimmten Umweltbedingungen determinieren, ergab einige Jahre später eine weitere Studie an Tieren solcher „intelligenten“ bzw. „unintelligenten“ Zuchtlinien.[84] Testtiere aus einer langsam lernenden Zuchtlinie wurden nun nämlich in besonders abwechslungsreich mit Tunnels, Rutschen und Spielzeug ausgestatteten Käfigen aufgezogen und gehalten; umgekehrt wurden Testtiere aus der rasch lernenden Zuchtlinie in einer besonders reizarmen Umgebung untergebracht: Unter diesen veränderten Umweltbedingungen war kein Unterschied zwischen den beiden Zuchtlinien mehr nachweisbar. Bei unverändertem Genpool in jeder der beiden Zuchtlinien ist dies ein Beleg dafür, dass die Umwelt die Lernleistung im Labyrinth maßgeblich beeinflusst. Die Autoren der Studie argumentierten daher, dass erst das Zusammenwirken von Erbe und Umwelt das sichtbare Verhalten hervorbringe und eine Trennung in angeboren und erworben letztlich weder sinnvoll noch möglich sei.

Längsschnittuntersuchungen zeigen, dass es deutliche Intelligenzunterschiede gibt zwischen Kindern, deren Eltern Wert auf intellektuelle Leistungen legen, und Kindern von Eltern, die das nicht tun. Die erste Gruppe von Kindern war intelligenter. Eine andere Untersuchung zeigt, dass die Kinder von Eltern, die ein warmherziges und demokratisches Erziehungsverhalten an den Tag legten, intelligenter waren als Kinder von Eltern, die sich autoritär und strafend verhielten.[85]

Vernachlässigung

Laut René A. Spitz kann Vernachlässigung im frühen Kindesalter zu Hospitalismus führen. Dieser ist unter anderem durch seelische Retardierung und einen niedrigen IQ gekennzeichnet. Hospitalismus ist jedoch heilbar, wenn das Kind später liebevoll betreut wird.[86] Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Experimente von Harry Harlow mit jungen Rhesusaffen sowie die Forschungsarbeiten von Harold M. Skeels zur Entwicklung der Intelligenz bei Menschen, die in Heimen aufwuchsen.

Sprachumfeld

Das Sprachumfeld spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und korreliert eng mit dem sozialen Status der Eltern. In einer Studie wurde ermittelt, dass Eltern aus der Mittel- und Oberschicht wesentlich häufiger und deutlich mehr mit ihren Kindern sprachen als solche aus der Unterschicht, und dass sie komplexere Sätze bildeten. Dies hat nach den Autoren einen enormen Einfluss auf die Intelligenzentwicklung; der IQ der benachteiligten Kinder lag bei durchschnittlich 79, während die sozial gut gestellten Kinder, mit denen viel geredet wurde, im Durchschnitt auf 117 kamen.[87]

Armut